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Angriffe auf eine Staatsanwältin mit Wurzeln «im muslimischen Kosovo»

Eine Zürcher Staatsanwältin untersucht in einem Verfahren, ob ein SVP-Politiker mit einem Repost gegen den Diskriminierungsartikel verstossen hat – und wird deswegen wegen ihrer kosovarischen Herkunft angegangen. Ein Kommentar über die Debattenkultur der Rechten.

Was ist passiert?

Bei der Zürcher Staats­an­walt­schaft befasst sich eine Staats­an­wältin gegen­wärtig mit der Frage, ob SVP-Politiker Claudio Zanetti mit einem Repost auf X gegen den Diskri­mi­nie­rungs­ar­tikel des Straf­ge­setz­buches verstossen hat.

Der von Zanetti geteilte Post stammt vom israe­li­schen Propa­gan­disten Arye Sharuz Shalicar und zeigt die Abbildung einer zur Faust geformten Israel-Fahne, die eine zum Haken­kreuz geformte Palästina-Fahne zerschlägt. Darüber stehen die Worte: «NIE WIEDER ist JETZT! Komme was wolle.»

Ein Politiker der Grünen hatte Zanettis Repost gesehen und zeigte den SVP-Politiker bei der Staats­an­walt­schaft an. Daraufhin eröffnete die zuständige Staats­an­wältin ein Verfahren wegen Diskri­mi­nierung und Aufruf zu Hass. Zanetti ging mit dem Verfahren an die Öffent­lichkeit und die Medien griffen das Thema dankbar auf.

Es ist nicht das erste Mal, dass Claudio Zanetti aufgrund eines Tweets Diskri­mi­nierung vorge­worfen wird. Ironi­scher­weise stand er bereits 2016 in der Kritik, nachdem er einen Tweet eines beken­nenden Rechts­extremen geteilt hatte, in dem dieser die antise­mi­tische White-Genocide-Verschwö­rungs­theorie verbreitete.

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Nun bekommt der Angeklagte Verstärkung vom SVP-Kollegen Christoph Mörgeli. Dieser meldete sich letzten Mittwoch in der Weltwoche zu Wort, recht­fer­tigte den Repost und rückte statt­dessen die Herkunft der Staats­an­wältin ins Zentrum. Denn dass diese «Wurzeln im musli­mi­schen Kosovo» habe, werfe laut Mörgeli «Fragen ihrer juristi­schen Inter­pre­tation der Strafnorm» auf.

Ein Rückblick auf eine Story, die eindrücklich zeigt, wie es um die Meinungs­freiheit migran­ti­scher Menschen steht.

Hinter­grund der Strafnorm 

Zur Erinnerung: Die Strafnorm gegen Diskri­mi­nierung (Art. 261bis StGB) bestraft Personen, die öffentlich zu Hass oder Diskri­mi­nierung gegen Menschen «wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion» aufrufen. Sie wurde 1994 von der Stimm­be­völ­kerung angenommen – gegen den Wider­stand konser­va­tiver Kreise. Die SVP versuchte seitdem mehrmals erfolglos im Parlament, die Norm wieder streichen zu lassen.

Im Weltwoche-Artikel behauptet Mörgeli, der Diskri­mi­nie­rungs­ar­tikel sollte ursprünglich Juden schützen. Die beabsich­tigte Wirkung ist klar – «prois­rae­lische» Tweets sollen ganz grund­sätzlich nicht unter eine Strafnorm fallen können, die zum Schutz von Jüdinnen und Juden gedacht war.

Damit setzt er nicht nur implizit Israel und jüdische Menschen gleich (was an sich als antise­mi­tisch gewertet werden kann) sondern stellt auch den Diskri­mi­nie­rungs­ar­tikel falsch dar.

«Prois­rae­lische» Tweets sollen ganz grund­sätzlich nicht unter eine Strafnorm fallen können, die zum Schutz von Jüdinnen und Juden gedacht war.

Die Botschaft zur Rassen­dis­kri­mi­nie­rungs-Konvention sagt explizit, dass eine ausdrück­liche Benennung des Antise­mi­tismus geprüft und verworfen wurde. Die Bestimmung sollte keinen Unter­schied zu anderen Formen der Diskri­mi­nierung machen. Die Strafnorm sollte daher von Anfang an Jüdinnen und Juden genauso vor Diskri­mi­nierung schützen wie auch Angehörige anderer religiöser oder ethni­scher Gruppierungen.

Die Herkunft der Staatsanwältin

Endgültig absurd wird es, als Mörgeli zum eigent­lichen Kritik­punkt kommt: Die Staats­an­wältin, die die Anzeige gegen Zanetti behandelt, habe familiäre Wurzeln im «musli­mi­schen Kosovo», weshalb ihre Inter­pre­tation von Zanettis Pro-Israel-Aufruf Fragen aufwerfe.

Dies ist ein Lehrbuch­bei­spiel für rassi­stische Diskriminierung.

Mörgeli stellt somit die juristische Inter­pre­tation der Staats­an­wältin aufgrund ihrer Herkunft und damit verbun­denen vermu­teten Religion infrage. Dies ist ein Lehrbuch­bei­spiel für rassi­stische Diskriminierung.

Ziel der Berichterstattung

Zuneh­mende antimus­li­mische Bericht­erstattung in den Medien im Allge­meinen und in der Weltwoche im Beson­deren, mag nicht überra­schen. Trotzdem sticht der Artikel heraus – die der Öffent­lichkeit unbekannte Staats­an­wältin wird mit vollem Namen genannt, und ihre Arbeit wird allein aufgrund ihrer Herkunft infrage gestellt.

Der Artikel zielt darauf ab, das Urteils­ver­mögen der «musli­mi­schen» Staats­an­wältin zu diskre­di­tieren. Musli­minnen und Muslime und selbst Menschen, welche nur Wurzeln in einem säkularen, musli­mi­schen Land haben, sollen unter General­ver­dacht gestellt werden, insbe­sondere wenn es um Israel geht.

Wer sich diesbe­züglich zu offensiv äussert oder handelt, wird medial an den Pranger gestellt. Diese Entwicklung ist zwar wenig überra­schend, aber doch besorg­nis­er­regend, angestossen wird sie ausge­rechnet von den Menschen, die (wenn es um ihre eigene Meinung geht) lauthals nach Meinungs­freiheit rufen. Aber diese Meinungs­freiheit gilt in ihren Augen offenbar nicht für alle Menschen in der Schweiz.

 

Von Nico Zürcher

 

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