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Was uns ein Interview mit einem 20-Minuten-Chef über antimuslimischen Rassismus lehrt

Eigentlich wollten wir nur einen Integrations-Check zum Thema Ramadan machen, und herausfinden, was die Passant*innen über den Fastenmonat wissen. Dann stossen wir auf einen leitenden Mitarbeiter bei 20 Minuten. Und ganz viel antimuslimischen Rassismus.

Ich habe einen Termin in Zürich. Warum also nicht den geplanten Videodreh gleich hierher verlagern, anstatt wie üblich in Bern auf die Strasse zu gehen? Merita und ich stellen uns an der Europa­allee gleich neben dem Zürcher Haupt­bahnhof auf, machen Smart­phone und Mikrofon bereit. Dann sprechen wir Passant*innen an.

Das Thema ist der Fasten­monat Ramadan. Wir wollen in einem «Integra­tions-Check» erfahren, was die Menschen auf der Strasse über das Fasten von Muslim*innen wissen, oder ob sich musli­mische Lebens­rea­li­täten doch stark abseits des Mainstreams abspielen.

«Wo machst du am liebsten Iftar?»

Die Einstiegs­frage wählen wir bewusst offen: «Wir machen eine Umfrage zu inter­kul­tu­reller Kompetenz — bist du dabei?» Die zweite Frage bewusst aus einer inner­mus­li­mi­schen Perspektive: «Wo machst du am liebsten Iftar?» Schliesslich handelt es sich um einen Integrations-Check.

Der Grund­tenor ist positiv. Zwar ernten wir beim Begriff «Iftar» einige verwirrte Blicke, nachdem aller­dings klar wird, worum es sich handelt (das Fasten­brechen bzw. die Wieder­auf­nahme des Essens nach Sonnen­un­tergang im Ramadan), scheinen die meisten Passant*innen offen und ernsthaft inter­es­siert zu sein. Die etwas entspann­teren Gespräche nach dem Dreh bestä­tigen dies: Viele wissen wenig über den Ramadan, fänden es aller­dings wichtig, hier mehr Einblicke zu haben, im Sinne eines inter­re­li­giösen Austauschs.

Und dann stossen wir auf einen Mann, der sich später als leitender 20-Minuten-Mitar­beiter zu erkennen gibt. Der Mann möchte wissen, für welches Medium wir arbeiten, worauf wir mit «baba news» antworten. Dann beginnen wir zu filmen.

Da uns der Mann nach dem Interview das Recht an Wort und Bild entzieht, wir es aber im Sinne des öffent­lichen Inter­esses für wichtig halten, das Thema des antimus­li­mi­schen Rassismus in der Medien­branche zu thema­ti­sieren, geben wir die Aussagen anony­mi­siert wieder und bezeichnen den Mann als T.R. (Initialen stimmen nicht, aber Name der Redaktion bekannt), bzw. in Bezug auf seine leitende Funktion bei 20 Minuten als «einen 20-Minuten-Chef».

Die Frage nach dem Iftar kann der Mann nicht beant­worten, weil er, wie viele andere auch, den Begriff nicht kennt. Als wir ihm erklären, worum es geht, gibt er an, «herzlich wenig» über den Ramadan zu wissen.

Merita: Oh je, woran liegt das?

T.R.: Warum meinst du, «woran liegt das»?

Merita: Woran liegt das, dass du so wenig über den Ramadan weisst?

T.R.: Willst du mir damit sagen, ich müsste mehr wissen?

Merita: Ja, das ist jetzt die Frage. Aber wenn man bedenkt, dass es in der Schweiz ja so viele Muslim*innen gibt…

T.R.: Ich sehe da eigentlich kein Bedürfnis, ich lebe recht religi­onsfrei – bewusst.

Merita: Das ist ja auch völlig okay. Hast du das Gefühl, es wäre trotzdem wichtig, dass man einige grund­sätz­liche Dinge trotzdem kennen würde?

T.R.: Meinst du Religi­ons­kunde oder Religi­ons­wissen? Das finde ich immer gut. Unbedingt, ja. Wieso lachst du?

Wir merken schon sehr früh, dass das kein gewöhn­liches Interview wird. Der Mann signa­li­siert nicht nur offen­sicht­liches Desin­teresse am Thema, sondern zeigt sich darüber hinaus passiv-aggressiv, wechselt mehrfach die Tonlage und versucht uns mit Gegen­fragen zu verunsichern.

Da es sich um ein Lehrbuch­bei­spiel für antimus­li­mi­schen Rassismus zu handeln scheint, legen wir die Aussagen zur Einordnung Rassismus-Experten vor. Aus Angst vor Repres­salien von Seiten von 20 Minuten möchten die Personen nicht mit Namen genannt werden. Die Aussagen des 20-Minuten-Mitar­beiters ordnen sie wie folgt ein:

Einordnung der Experten: T.R. positio­niert sich selbst als religi­onsfrei und versucht so, eine vermeintlich wertneu­trale Haltung einzu­nehmen, und seine Privi­legien (christlich-weiss-bürgerlich-cis-männlich gelesen) zu überspielen.

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Merita: Wir haben jetzt einige Inter­views gemacht, und die Leute wissen recht wenig Bescheid. Erstaunt dich das?

T.R.: Was meinst du, mit «nicht Bescheid wissen»? Willst du Fakten­wissen über den Ramadan abfragen? Und was bringt das?

Merita: Es geht einfach darum zu erfahren, wie gut die Leute über den Ramadan Bescheid wissen.

T.R.: Machst du auch einen Test, was sie über das Christentum wissen?

Einordnung der Experten: Hier wird Whata­boutism als argumen­tative Taktik benutzt, um vom Thema abzulenken. Ausserdem werden durch die Gleich­setzung einer Dominanz­re­ligion mit einer Minder­hei­ten­re­ligion bestehende Macht­ver­hält­nisse ausgeblendet.

Merita: Wir feiern ja Weihnachten, Ostern etc., das ist ja in unseren ganzen Struk­turen schon drin. Das wird in der Schule behandelt, du hast Weihnachts­feiern in den Firmen etc.

T.R.: Ja. Ja.

Merita: Z.B. auch ganz konkret auf der Arbeit. Was macht dein Unter­nehmen, um Mitar­bei­tende, die Muslim*innen sind, in diesem Monat zu unter­stützen? (Anmerkung: Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Mann für 20 Minuten arbeitet.)

T.R.: Meines Wissens macht mein Unter­nehmen nichts, und ich verstehe auch nicht, weshalb es etwas machen müsste. Wir sind ja eine laizi­stische Gesell­schaft. Und der Raum für Religion ist der private Raum und nicht der öffent­liche. Und die Gesell­schaft hat nichts für die Religion zu tun. Du kannst deine Religion im Privaten leben. That’s it.

Einordnung der Experten: Eine solche Haltung missachtet das Bedürfnis von Muslim*innen, sich und ihre Lebens­rea­li­täten in Insti­tu­tionen reprä­sen­tiert zu sehen. Es herrscht auch Unver­ständnis darüber, dass sich die Gesell­schaft religiös plura­li­siert hat und Insti­tu­tionen diese Plura­li­sierung abbilden müssen.

Darüber hinaus ist die Schweiz nicht laizi­stisch. Sie ist nicht einmal vollständig säkular, da insbe­sondere die katho­lische und refor­mierte Kirche in vielen Kantonen öffentlich-rechtlich anerkannt sind. Diese Kirchen erhalten staat­liche Gelder und haben Einfluss auf öffent­liche Angele­gen­heiten, z. B. Religi­ons­un­ter­richt an öffent­lichen Schulen, Seelsorge in Spitälern und Gefäng­nissen, Dienst­lei­stungen im Sozialwesen.

Religion ist auch keine reine Privat­sache. So hält beispiels­weise der Kanton Zürich fest: «Die Glaubens- und Gewis­sens­freiheit garan­tiert, dass Glaubens­hal­tungen nach aussen sowohl einzeln als auch gemein­schaftlich bezeugt werden dürfen.»

Merita: Warum waren wir denn jeweils am Weihnachts­märit oder mussten Weihnachts­lieder in der Schule auswendig lernen?

T.R.: Musstest du das?

Merita: Ja, das musste ich.

T.R.: Hör zu, ich bin wahrscheinlich wesentlich älter als du, und habe eine strengere Erziehung erlebt. Ich glaube, das waren so 1–2 Lieder, die ich auswendig gelernt habe. Du übertreibst gerade massiv. Und es gehört ja zu dieser Kultur, auch wenn ich das Christentum nicht super lässig finde.

Einordnung der Experten: Das Christentum gilt hier als unsichtbare Norm. Seine öffent­liche Präsenz, z.B. in Kirchen, Politik, durch Feste, Feiertage und Symbole, wird nicht hinter­fragt, während der Islam als proble­ma­tische Abwei­chung davon gilt. Es wird mit zweierlei Mass gemessen.

Merita: Aber wenn du sagst, wir sind ein laizi­sti­sches Land, also Staat und Kirche sind getrennt – es ist ja trotzdem so, dass eine Religion im Vergleich zu anderen sehr stark vertreten ist, und andere unter­re­prä­sen­tiert sind.

T.R.: Ja und? Das ist so. Hast du ein Problem damit, in dem Fall? Du musst deutlich werden, was du damit meinst.

Merita: Ja, ich finde schon, es ist… (wird unterbrochen)

T.R.: Ja, dann sag es. Sag, worum es geht!

Merita: Es geht… (wird unterbrochen)

T.R.: Weisst du, ich kenne baba news. Ich weiss, auf was es hier hinaus läuft. Und ich weiss auch, was eure Positionen sind. Also sag doch einfach, was eure Position ist. Sag jetzt! Fühlt ihr euch unter­drückt als Muslime?! Ja? Aber dann sag es doch und rede nicht um den heissen Brei herum, und dann sage ich dir, es trifft nicht zu. Eindeutig nicht.

Einordnung der Experten: T.R. versucht, die Journa­listin mit Rückfragen zu verun­si­chern und den Inter­view­verlauf zu verzögern. Ihr wird eine Agenda unter­stellt, ein «auf etwas hinaus­wollen». Das Unter­stellen von verdeckten Absichten perpetuiert die antimus­li­misch-rassi­stische Vorstellung, dass Muslime verdeckte Motive verfolgen und unglaub­würdig seien.

Darüber hinaus wird eine Fremd­mar­kierung der Journa­li­stinnen als Musli­minnen vorge­nommen («Fühlt ihr euch unter­drückt als Muslime?!») und mögli­cher­weise an Name, Aussehen oder vermu­tetem Herkunfts­kontext festge­macht. Das macht einmal mehr deutlich: Antimus­li­mi­scher Rassismus ist eng mit Migran­ti­sierung verbunden.

Weiter werden absolute Aussagen getroffen («eindeutig nicht unter­drückt»), die keine vielstim­migen Betrach­tungs­weisen zulassen. Ganz allgemein wirkt T.R. gereizt und scheint sich in seinem Selbst­ver­ständnis bedroht zu fühlen und unter Recht­fer­ti­gungs­druck zu stehen.

Merita: Ich bin hier eigentlich nur am Fragen stellen.

T.R.: Und ich gebe dir jetzt die Antwort. Ich habe nicht das Gefühl, dass Muslime in diesem Land unter­drückt sind. Wir sind ein wahnsinnig liberales Land, in dem sich jeder mit musli­mi­schem Glauben voll entfalten kann. Ich sehe da kein Problem.

Einordnung der Experten: Hier wird eine Dicho­to­mi­sierung als zentraler Mecha­nismus von Rassismus durch die Abspaltung in ein ‹Wir› (liberales Land) und ‹Ihr› (vermeintlich unter­drückte Muslime) bedient. Wissen­schaftlich belegte Rassis­mus­er­fah­rungen von Muslim*innen werden negiert.

Weiter wird in der Aussage «liberal» als Synonym für «rassis­musfrei» verwendet. Nur weil ein Staat liberale Prinzipien wie Freiheit und Gleichheit in seiner Verfassung verankert hat, bedeutet das aller­dings nicht automa­tisch, dass diese Prinzipien in der Praxis gleicher­massen für alle Menschen gelten. Nur weil etwas formal gilt, heisst es nicht, dass es faktische Realität ist.

Mit seinem «ich sehe da kein Problem» setzt T.R. seine eigene weisse Perspektive als Massstab, aus der heraus die Existenz von antimus­li­mi­schem Rassismus beurteilt wird. Die Ich-Perspektive wird univer­sa­li­siert und als einzig Gültige festgelegt: «Ich sehe da kein Problem, also existiert das Problem nicht.» Dadurch wird das Erfah­rungs­wissen von Betrof­fenen delegitimiert.

Merita: Ich würde dich gern auf die Grund­la­gen­studie zu antimus­li­mi­schem Rassismus aufmerksam machen, die kürzlich erschienen ist, und vom Bund in Auftrag gegeben wurde. Vielleicht kannst du ja mal reinschauen.

T.R.: Ja, die kenne ich, ja.

Merita: Okay, und würdest du immer noch sagen, dass es antimus­li­mi­schen Rassismus nicht gibt?

T.R.: Antimus­li­mi­schen Rassismus, ich glaube, den gibt es. Der Begriff ist in einer politi­schen Debatte aber auch zu einem riesen Schlagwort geworden, zu einem aktivi­sti­schen Schlagwort. Damit habe ich ein Problem. Wenn ich mir z.B. all die Leute an diesen Pro-Palästina-Demos anschaue. Wenn ich gleich­zeitig den eklatanten Antise­mi­tismus sehe (schüttelt ungläubig lachend den Kopf), der aus diesen Kreisen kommt, dass es einem Angst und Bange wird.

Einordnung der Experten: Hier wird ein jahrhun­der­te­altes struk­tu­relles Phänomen auf eine leere Parole reduziert und damit antimus­li­mi­scher Rassismus verharmlost. T.R. entwertet damit nicht nur ein wissen­schaftlich etabliertes Konzept, sondern auch reale Erfah­rungen von Betrof­fenen und deren Widerstand.

Darüber hinaus findet eine implizite Gleich­setzung von Muslim*innen und Palästinenser*innen statt. T.R. ethni­siert somit den Islam und lädt Palästina-Demos islamisch auf. Gleich­zeitig schliesst er von religiöser Identität (Muslime) auf eine politische Haltung (Pro-Palästina). Wenn Ansichten und Handlungen kausal auf ‹den Islam› zurück­ge­führt werden, spricht man von rassi­sti­scher Essen­zia­li­sierung. Das heisst, dass das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen an einen religiösen «Kern» (oder «Essenz») festge­macht werden. Der Islam wird somit zur geborenen Wesens­ei­gen­schaft von Muslim*innen.

Weiter findet eine allge­meine Zuschreibung von Antise­mi­tismus in Bezug auf Muslim*innen statt. Hier zeigt sich antimus­li­mi­scher Rassismus als Entla­stungs­funktion: Wenn ‹diese Kreise› antise­mi­tisch sind, dann kann Antise­mi­tismus als gesamt­ge­sell­schaft­liches Problem exter­na­li­siert und als parti­ku­lares Problem der musli­mi­schen Anderen darge­stellt werden.

Die Aussage, dass T.R. «Angst und Bange» wird, zeigt ausserdem eine Anknüpfung an ein Bedro­hungs­sze­nario, bei dem Muslim*innen als Sicher­heits­risiko darge­stellt werden. Es findet eine Fokus­ver­schiebung statt: Es geht nicht mehr um die im Interview thema­ti­sierte Angst von Muslim*innen vor rassi­sti­scher Diskri­mi­nierung, sondern um die Angst von T.R. selbst. 

Merita: Was war den ganz konkret antise­mi­tisch an diesen Pro-Palästina-Demos?

T.R.: Da musst du selbst hinhören und das selbst herausfinden.

Wir brechen den Dreh ab. Der Mann macht Recht von seinem Gebrauch am eigenen Bild, die Video­auf­nahmen dürfen wir nicht verwenden. Die Tonauf­nahmen seien ihm egal. Später zieht er via Mail auch diese zurück.

Die Experten fassen die Erkennt­nisse für uns zusammen: Rassismus allgemein hat eigentlich zwei Funktionen. Einer­seits eine Entla­stungs­funktion, in der Missstände exter­na­li­siert und auf andere proji­ziert werden. Und die andere ist eine Legiti­ma­ti­ons­funktion, die man in diesem Beispiel auch sehr gut erkennen kann. Hier wird Diskri­mi­nierung von Muslim*innen legiti­miert, einer­seits durch Nicht­be­achtung von Muslim*innen – sie werden als schlichtweg nicht relevant darge­stellt (‹Ramadan — ja und?›, ‹warum sollte ich das wissen?›, ‹was bringt es, Fragen dazu zu stellen?›), anderer­seits indem Muslim*innen als ideolo­gisch und politisch motiviert oder als ein Sicher­heits­risiko darge­stellt werden. Es handelt sich dabei um ein Lehrbuch­bei­spiel für antimus­li­mi­schen Rassismus.

Im weiteren Gesprächs­verlauf mit T.R. geht es schliesslich um die Ereig­nisse in Gaza. Krieg sei zwar nie schön, und dass Zivilist*innen sterben auch nicht, «aber was erwartest du, nach einem 07. Oktober?». Dass Israels Handeln unver­hält­nis­mässig ist, Stichwort über 40’000 Tote, gröss­ten­teils Frauen und Kinder, lässt er nicht gelten: «Nein, wir machen hier keinen Bodycount und vergleichen die Toten­zahlen mitein­ander, auf dieses Niveau lasse ich mich nicht herunter!»

«Man redet immer davon, Israel würde keine Hilfs­güter reinlassen und die Menschen verhungern lassen. Aber ich sehe in den Videos immer noch Menschen.»

Ganz abgesehen davon stellt er die Zahlen der getöteten Menschen in Gaza infrage («Auf wessen Zahlen berufst du dich?»), wie auch den Umstand, dass Israel gemäss humani­tärer Organi­sa­tionen keine Hilfs­güter nach Gaza lässt: «Weisst du, man redet immer davon, Israel würde keine Hilfs­güter reinlassen und die Menschen verhungern lassen. Aber ich sehe in den Videos immer noch Menschen.» Den Einwand, dass diese Logik auch von Holocaust-Leugnern aufge­bracht wird, die argumen­tieren, es hätte keine Juden­ver­folgung gegeben, weil es ja noch immer Juden und Jüdinnen gebe, findet er hingegen bizarr.

Als Genozid könne man das, was sich in Gaza abspiele, ganz sicher nicht bezeichnen, T.R. kenne sich im Völker­recht aus (unsere Recherchen konnten einen solchen Nachweis nicht erbringen), und ganz abgesehen davon, wenn es Genozid sei, «warum steigen dann die Gebur­ten­raten in Gaza?», fragt er. Auch Apartheid gebe es in Israel nicht. Die Frage, weshalb denn für Palästinenser*innen in der Westbank das Militär­recht gelte, für Israelis aller­dings nicht, schiebt T.R. auf «schwierige Umstände in der Region».

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Den Einwand, dass die Ereig­nisse in Gaza ganz allgemein besser dokumen­tiert werden könnten, wenn Israel unabhängige auslän­dische Journalist*innen ins Gebiet lassen würde, lässt T.R. nicht gelten, es gebe schliesslich «genug Journalist*innen, die direkt aus Gaza berichten, einfach nicht solche, die ihr mögt». Und ja, diese seien zwar ins israe­lische Militär einge­bettet, aber auch das sei kein Problem.

«Wenn Israel Genozid begeht, warum steigen dann die Gebur­ten­raten in Gaza?»

Ganz allgemein stört er sich am eklatanten Antise­mi­tismus und macht den Shift zum Anschlag auf die Satire­zeit­schrift Charlie Hebdo (2015): «Wo waren denn da die ganzen Muslime?» Als ich einwende, dass der Shift von Religi­ons­zu­ge­hö­rigkeit auf Gewalt­an­schläge bzw. politische Gesinnung proble­ma­tisch sei, weshalb ich beispiels­weise nie auf die Idee kommen würde, eine jüdische Person per se mit dem israe­li­schen Staat in Verbindung zu setzen (weil antise­mi­tisch), prote­stiert er heftig – so habe er das nicht gemeint!

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Wir haben uns aller­dings schon viel zu lange an der Europa­allee aufge­halten, weshalb ich ihn auffordere, doch darüber nachzu­denken, wir müssten jetzt aller­dings gehen und Iftar machen. Wir drehen uns um und lassen den Mann stehen. Hinter uns hören wir noch ein lautes «Nei!»; aus den Augen­winkeln heraus kann ich sehen, wie er uns noch einige Schritte nachläuft und dann die Richtung wechselt und zum Bahnhof geht.

Auf Anfrage von baba news, welche Bestre­bungen es in den Redak­tionen gebe, gegen antimus­li­mi­schen Rassismus intern aber insbe­sondere auch in der Bericht­erstattung vorzu­gehen, antwortet Tamedia (zu der auch 20 Minuten gehört) wie folgt:

«20 Minuten steht für einen ausge­wo­genen und ideolo­gie­freien Journa­lismus und verur­teilt jegliche Art der Diskri­mi­nierung. Die Unter­neh­mens­kultur ist von gelebter Diver­sität geprägt. Eine indivi­duelle Ausübung des Glaubens und der entspre­chenden Bräuche wird bei Bedarf ermög­licht, wie beispiels­weise indivi­duelle Pausen. Der Einzelfall wird geprüft. Es gelten die publi­zi­sti­schen Leitlinien und der Verhaltenskodex.»

Und auch hier lassen wir unsere Experten zu Wort kommen.

Einordnung der Experten: Die Antwort ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Präsenz von Muslim*innen (gegen­wärtig ca. 400’000 Menschen in der Schweiz) nach wie vor bestritten und als einzelnes überra­schendes Phänomen («indivi­duelle Pausen», «im Einzelfall geprüft») darge­stellt wird – anstatt Muslim*innen als gesamt­ge­sell­schaft­liche Realität zu betrachten.

 

Von Albina Muhtari

 

Insgesamt brauchen wir 4’000 Member-Abos, um baba news finan­zieren zu können. Findest du, dass wir wichtige Arbeit machen, und dass die Schweiz mit baba news eine bessere ist? Dann unter­stütze uns jetzt mit 7 Franken pro Monat oder 80 Franken pro Jahr.
  1. Baslerin

    Ich danke euch von Herzen für euer Engagement und besonders für diesen mutigen Akt! Einzu­stehen gegen die ‘Grossen’, ‘Mächtigen’ und klar aufzu­zeigen was Sache ist! Danggä tuuusig!

  2. Claudine El Mbarrae

    dieser artikel hat mir sowas von gut getan. schon lange ist klar, dass gewisse medien sehr tendenziös berichten. die leser merken nichts weil sie zu faul sind sich breit zu infor­mieren. Der text muss die länge eines morgen­kafis haben und das reicht halt wirklich nicht um ein thema kennen zu lernen. dabei ist es wirklich nicht sehr schwierig sich infos zu holen zu was auch immer.
    was mich jedoch wirklich immer wieder schockiert ist die tatsache, dass es völlig egal ist, wenn mal so 40’000 menschen umgebracht werden. diese soziale verrohung kotzt mich an. SCHANDE !!!!!!!!
    der herr vom 20min sollte vielleicht mal ne auszeit nehmen und sich sozial engagieren um etwas mitgefühl und empatie zu tanken. sonst wird seine “défor­mation profes­si­on­nelle” immer grösser.

  3. Ich bin stolz auf mich, dass ich seit über 15 Jahren kein 20Min mehr gelesen habe. BaBa News hingegen lese ich fast täglich

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