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Frauenstimmrecht – «Viele Frauen liessen sich nicht überzeugen»

Wie haben Schweizer Frauen die Zeit während der Abstimmung zum Frauenstimm- und Wahlrecht 1971 erlebt? Wir haben mit Dorothea Ritter, Joy Matter, Annemarie Lanker und Maria Jossi gesprochen.

 

Die vier Frauen waren bereits zwischen 30 und 40 Jahre alt, als sie 1971 auf eidge­nös­si­scher Ebene das Stimm- und Wahlrecht erhielten. Dennoch hat sie der Umstand, dass ihre Stimme vorher kein politi­sches Gewicht hatte, unter­schiedlich stark beschäftigt.

Als Annemarie Lanker (77) mit 18 reali­sierte, dass sie nicht abstimmen durfte, politi­sierte dies die junge Frau: «Ich erkannte, dass ich Steuern bezahlen musste und trotzdem nicht abstimmen durfte.» Daraufhin begann sie in den Frauen­rechts­gruppen mitzu­ar­beiten, welche die verschie­denen Abstim­mungs­kämpfe führten. Dies führte zu Konflikten mit der eigenen Mutter. Diese war der Meinung: «Ich brauche das Stimm­recht nicht, der Vati stimmt ohnehin so, wie ich das sage.» Aber auch andere Frauen liessen sich einfach nicht umstimmen: «Das war wie ein Verrat», so Annemarie Lanker.

«Ich erkannte, dass ich Steuern zahlen musste und trotzdem nicht abstimmen durfte.»

Obschon Dorothea Ritter (88) es heute für selbst­ver­ständlich erachtet, das Stimm- und Wahlrecht zu haben, ging die Abstimmung vor 53 Jahren seltsa­mer­weise fast gänzlich an ihr vorbei. Sie erinnert sich, dass der Kampf ums Frauen­stimm­recht in ihrem Umfeld kaum ein Thema war und ihre Freun­dinnen nur meinten: «Es ist gut, wenn sich dieje­nigen engagieren, die sich dafür inter­es­sieren.» Sie hätte das Frauen­stimm­recht grund­sätzlich eine gute Sache gefunden, so Dorothea, überliess es aber gern anderen, sich aktiv dafür einzu­setzen. Für sie sei aber von Beginn an klar gewesen: «Wenn es dann möglich ist, dann gehe ich natürlich schon abstimmen.» Und das habe sie dann tatsächlich auch immer getan. Heute ist Dorothea all jenen sehr dankbar, die sich damals für das Frauen­stimm­recht engagiert haben.

Auch Maria Jossi (87) hat sich vor 53 Jahren nicht gross um das politische Geschehen gekümmert: «Ich verstand mich nie als Kämpferin!» Sie erinnert sich aber gut daran, wie es war, zum ersten Mal abzustimmen: «Ich kann dieses Gefühl von damals nicht beschreiben – das Gefühl, endlich ein Recht auf Mitbe­stimmung zu haben.»

«Ich kann das Gefühl von damals nicht beschreiben — das Gefühl, endlich ein Recht auf Mitbe­stimmung zu haben.»

Joy Matter (85) kann rückblickend kaum glauben, dass sie die Einführung des Frauen­stimm­rechts 1971 nicht wirklich als ein grosses Ereignis empfunden hat. Politisch engagiert hat sie sich erst in den 70er-Jahren, im Zuge der zweiten Frauen­be­wegung: «Wir setzten uns für den ganzen gesell­schaft­lichen Teil ein; für das, was man auch die tatsäch­liche Gleich­stellung nennt.» Die Bewegung kämpfte für die Fristen­lösung und den Gleich­stel­lungs­ar­tikel in der Bundes­ver­fassung. Ausserdem thema­ti­sierten sie Gewalt an Frauen und eröff­neten Beratungsstellen.

Nach der Einführung des Frauen­stimm­rechts 1971 stand die Forderung nach einem neuen Eherecht im Zentrum der Debatte. Bis 1988 war in der Schweiz der Mann rechtlich das «Oberhaupt der Familie». Welche Auswir­kungen dies auf die Frauen hatte, seht ihr im Video.

Dieses Video wurde im Februar 2021 im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums des Frauen­stimm­rechts publiziert.

 

 

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