Diese Woche entscheidet das Parlament über ein Verbot der Hamas und der Hisbollah. Dr. Ahmed Ajil ist Kriminologe und erzählt, warum das Gesetz umstritten ist – und welche Folgen es für pro-palästinensischen Aktivismus haben könnte.
Der Nationalrat stimmt diese Woche über ein Verbot der Hamas wie auch der Hisbollah ab. Sollten sie verboten werden, werden sie rechtlich wie die Al-Quaida oder der Islamische Staat gehandhabt. So sind z.B. Spenden oder das «Verbreiten von Propaganda» zugunsten dieser Organisationen verboten, darunter fällt z.B. das Teilen von Bildern oder Videos in den Sozialen Medien.
«Die Al-Quaida und der Islamische Staat werden von so ziemlich der ganzen Welt als terroristisch eingestuft», erklärt Ajil. «Bei der Hamas und Hezbollah ist das nicht der Fall.» Mit ein Grund dafür ist, dass die Hamas keine Gefährdung für Europa oder den Welt darstellen würde, sondern vor allem lokal agiere. Darüber hinaus handle es sich bei der Hamas um eine Organisation, die eng mit der palästinensischen Bevölkerung verflochten sei, indem sie auch zivile Funktionen ausübe.
Die Grenzen zwischen Terrorismus und bewaffnetem Widerstand – zu welchem die Palästinenser*innen laut internationalem Völkerrecht ein Recht haben – seien dabei nicht immer klar. Ajil betont: «Wenn wir die Hamas jetzt verbieten, dann verbieten wir de facto den bewaffneten Widerstand gegen das, was die palästinensische Zivilbevölkerung seit Jahrzehnten erleidet.» Darüber hinaus ziehe das Gesetz «einen Rattenschwanz an Problemen» mit sich.
«Wenn wir die Hamas verbieten, dann verbieten wir den bewaffneten Widerstand gegen das, was die palästinensische Zivilbevölkerung seit Jahrzehnten erleidet.»
Dadurch, dass die Bekämpfung von Terrorismus präventiv ausgerichtet sei, stünden Handlungen oder Verhaltensweisen im Fokus, die darauf hindeuten, dass eine Person eine terroristische Handlung ausüben könnte. Dabei machen die Behörden gemäss Ajil ein Fass auf, «das fast nicht zu bewältigen» sei: «Mann kann nicht alle Kommentare und Materialen, die im Netz sind, anschauen und ahnden», sondern müsste einen Fokus setzen.
Dieser würde vor allem eine muslimisch- bzw. arabisch gelesene Bevölkerung in den Vordergrund stellen – «also alles, was auf mehr Religiosität hindeutet», erklärt Ahmed Ajil. Weiter würden politische Aktivitäten im Zusammenhang mit der Pro-Palästina-Solidarität ins Zentrum gerückt, z.B. Aussagen wie «From the River to the Sea» oder «Free Palestine».
«Sich gegen Kriegsverbrechen einzusetzen, ist etwas, was wir ja unterstützen möchten.»
«Die Folge davon, ist ein Chilling-Effekt – die Leute sagen, sie wollen kein Strafverfahren riskieren oder Probleme bekommen», so Ajil. Dadurch würden politische Aktivitäten in diesem Zusammenhang unterdrückt und eingeschränkt – für eine Sache, die «per se richtig» sei. «Sich gegen Kriegsverbrechen einzusetzen, ist etwas, was wir ja unterstützen möchten.» Gleichzeitig könnten Aufrufe zur Gewalt oder das Verherrlichen der Geschehnisse vom 07. Oktober jetzt schon strafrechtlich verfolgt werden.
Durch das Ungleichgewicht, das im Zusammenhang mit dem Engagement im Hinblick auf Gaza entstehe – denn das Glorifizieren eines Netanyahu oder des IDF erhalten nicht die gleiche sicherheitspolitische oder rechtliche Aufmerksamkeit – würde einerseits Apathie gefördert, andererseits aber auch Radikalisierung. «Es gibt Leute, die wütend über die Ereignisse sind», so Ajil. Schränkt man die Möglichkeiten für politisches Engagement ein, könne diese Wut durch radikale Gruppierungen abgeholt werden. Dies sei besonders bei jungen Menschen der Fall.