Fast wäre es ein witziger Schlagabtausch. Wenn es dabei nicht um Genozid, Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus gehen würde. Wie die NZZ gegen muslimische Kinder und Jugendliche hetzt.
Was zuvor geschah
Am 14. März veröffentlichte die NZZ einen Artikel, gemäss welchem der «Islamismus» schon «längst auf den Schulhöfen angekommen» sei. In diesem Zusammenhang war auch von Workshops der baba academy und baba news selbst die Rede, das gemäss NZZ «seit Monaten gegen Israel hetzt». Wir erinnern: Israel befindet sich zurzeit auf der Anklagebank des Internationalen Strafgerichtshof, mit dem «plausiblen» Vorwurf, es würde Genozid an den Palästinenser*innen begehen. Mittlerweile sind rund 40’000 Palästinenser*innen getötet worden. Hunderttausende werden von Israel seit Wochen systematisch ausgehungert. Wahrscheinlich würde die NZZ auch diesen letzten Abschnitt als «Hetze» bezeichnen. Denn in dieser und ähnlicher Form äussert sich «Israelkritik» auf baba news.
Angesichts des Wordings «Gruppe von Migrantinnen» boten wir der NZZ zudem via Insta-Story den Besuch eines Workshops der baba academy an, in welchem wir uns u.A. mit der Wirkung von Begrifflichkeiten befassen.
Weiter veröffentlichten wir in unserer Instagram-Story einen uns zugeschickten Hinweis eines Lesers, die NZZ würde im Artikel vom 14. März Muslim*innen «als Bedrohung» bezeichnen. Die NZZ antwortete via Instagram-Message, es sei von Vorteil, «den Unterschied zwischen Islamisten und Muslimen» zu kennen. Das Wort «Gemässigte» würde sich demzufolge nicht auf Muslim*innen sondern auf Islamist*innen beziehen.
Ein weiterer Leser brachte wiederum via Instagram den Einwand, der Begriff «moderate Islamisten» sei bereits in sich widersprüchlich: «Wenn Islamisten per Definition extremistisch / radikal sind, wie können sie gleichzeitig moderat und gemässigt sein?»
Die NZZ stellte eine politische Motivation in den Fokus und entgegnete, dass Islamismus dort beginne, wo «islamische Gebote als politische Handlungsanweisungen gedeutet» würden. Die Erklärung erscheint insofern absurd, als dass der erste Satz des Artikels lautet: «Der Islamismus ist längst auf den Schulhöfen angekommen.» Damit würde bereits muslimischen Kindern und Jugendlichen eine «politisch» motivierte religiöse Intention zugesprochen werden. Weiter wirft uns die NZZ vor, ihr Worte in den Mund zu legen und bietet uns den Besuch eines Workshops bei sich an. Wir lehnen dankend ab, machen aber gern folgenden Brief öffentlich.
Brief an die NZZ
Liebe NZZ, wir legen euch keine Worte in den Mund. Entweder versucht ihr kollektives Gaslighting zu betreiben, oder ihr versteht selbst nicht so recht, was ihr da schreibt.
Erstens spezifiziert ihr im Artikel nirgends, wie ihr «Islamismus» definiert, das Wort «politisch» taucht im Artikel z.B kein einziges Mal auf. Zweitens handelt es sich bei «gemässigte Islamisten» um ein Oxymoron, bzw. einen Widerspruch in sich, der durch das von euch genannte Bedrohungsszenario noch widersprüchlicher wird. Etwas, das eine Bedrohung darstellt, kann nicht gleichzeitig «gemässigt» oder «moderat» sein.
Abgesehen von der fehlenden Logik ist eine angebliche Missachtung von Gesetzesvorschriften , die ihr hier als Beispiel aufführt («wer religiöse Gesetze über rechtsstaatliche Prinzipien stellt»), auch effektiv alles andere als «moderat» oder «gemässigt», zumal Muslim*innen (ob Islamist*innen oder nicht), allein schon aufgrund ihrer Religion dazu verpflichtet sind, die Rechtsordnung des Landes, in welchem sie sich befinden, zu befolgen.
Diese falsche Bezeichnung («gemässigte Islamisten») wird auch nicht wahrer, indem ihr sie in einen bizarren Vergleich setzt (Islamisten sind «im Vergleich zu Jihadisten» «gemässigt» oder «moderat»). Sonst könnte man behaupten, Kühe seien aufgrund ihres leichteren Gewichtes flugtauglicher als Elefanten, was von der Logik her nachvollziehbar ist, effektiv aber («Kühe sind flugtauglich») nicht stimmt.
«Diese falsche Bezeichnung wird auch nicht wahrer, indem ihr sie in einen bizarren Vergleich setzt.»
Im darauffolgenden Satz verwendet ihr «Gemässigte», von denen eine «Bedrohung» ausgehe, dann schliesslich allein, bzw. ohne die Spezifizierung «Islamisten», und gebt an euch zu wundern, dass der Satz mit Musliminnen und Muslimen ganz allgemein in Verbindung gebracht wird. Eure Empörung ist insofern unglaubwürdig, als dass «Auch Gemässigte sind eine Bedrohung» weiter oben sogar als Zwischentitel steht, eingebettet an jener Stelle, in der es um muslimische Schülerinnen und Schüler geht.
Falls es sich hierbei tatsächlich um einen Fehler und nicht um böswilliges Kalkül handelt, dann gebt ihn doch ganz einfach zu, oder ergänzt den Artikel so, dass wir keine 50 Screenshots davon zugeschickt bekommen. Das ist zielführender als schnippische Emojis zu verschicken.
Im Übrigen geht es nicht darum, dass wir euch «nicht mögen», sondern dass wir euch tatsächlich für gefährlich halten. Ganz abgesehen davon, dass ihr muslimische Kinder und Jugendliche pauschal in die Nähe von Jihadismus und Islamismus bringt, und damit Menschen, die noch nicht einmal das Stimmrechtsalter erreicht haben, eine «politische» Ausrichtung ihres Glaubens vorwerft, versucht ihr auch ausgehend von ganz unterschiedlichen und in der Tat ernstzunehmenden Problemen im schulischen Kontext einen fraglichen Gesamtzusammenhang zu konstruieren, den ihr mit dem diffusen Begriff «Religion» bzw. «Islam» zu erklären versucht.
«Wenn ihr hier keine offensichtliche Muslimfeindlichkeit erkennt, dann habt ihr sie schon zu fest verinnerlicht.»
Dabei geht ihr sehr willkürlich und selektiv vor, indem ihr zur Untermauerung einer angeblichen Bedrohungssituation einen Schwenk auf Frankreich und Berlin-Neukölln macht, gezielt Schweizer Fachkreise, wie die Fachstelle für Rassismusbekämpfung, diffamiert, gleichzeitig aber politische Hardliner als neutral und fachlich kompetent zu framen versucht.
So zitiert ihr nebst einem anonymen «Zürcher Unternehmer» den «Bieler Lehrer» Alain Pichard – ohne auch nur mit einem Wort auf dessen fragwürdigen Background einzugehen. Denn dass es sich bei Alain Pichard um einen GLP-Grossrat handelt, der gemäss Wikipedia mit muslimfeindlichen Aussagen «öffentlich in Erscheinung» tritt, ist in eurem Artikel nicht zu lesen. Auf blick.ch behauptet Pichard , dass «muslimische Familien oft eine ganz andere Einstellung zur Bildung», und somit Schuld für einen «mangelnden Schulerfolg der Muslime» hätten. Weiter stellt er pauschal die These auf, dass muslimische Eltern «zu spät an Gesprächstermine» erscheinen oder «die Arztbesuche ihrer Kinder inmitten in den Mathematikunterricht» legen würden. Wenn ihr hier keine offensichtliche Muslimfeindlichkeit erkennt, dann habt ihr sie schon zu fest verinnerlicht.
Im besten Fall handelt es sich bei der mangelnden Transparenz um die Verletzung journalistischer Sorgfaltspflicht. Im schlimmsten Fall tragt ihr mit der Reproduktion dieser Bilder aktiv und bewusst zur Dämonisierung einer bereits stigmatisierten Religionsgemeinschaft bei, was sich schlimmstenfalls tödlich auswirken kann. Am 15.03. ist es genau fünf Jahre her, dass ein muslimfeindlicher Terrorist in Christchurch zwei Moscheen stürmte. Er tötete 51 Menschen und verletzte 50 Weitere schwer. Letzte Woche wurde in Hamburg (wenn ihr schon den Schwenk zu Deutschland macht) eine Frau Opfer eines brutalen Überfalls – weil sie Muslimin ist.
«Am 15.03. ist es fünf Jahre her, dass ein muslimfeindlicher Terrorist in Christchurch zwei Moscheen stürmte. Er tötete 51 Menschen und verletzte 50 Weitere schwer.»
Es ist nicht nur legitim sondern auch absolut notwendig hinzusehen und als Gesellschaft entschlossen zu intervenieren, wenn ein 15-jähriger Jugendlicher antisemitisch motivierte Gewalt ausübt. Um solche Taten in Zukunft zu verhindern, bringt es allerdings nichts, ganz unterschiedliche und voneinander unabhängige Probleme in einen diffusen Gesamtzusammenhang stellen zu wollen, zumal unter Einbezug fraglicher Quellen, deren Kontext ihr wiederum bewusst auslasst. Damit macht ihr es euch als «Qualitätszeitung» nicht nur sehr einfach, es macht auch auch schlichtweg unglaubwürdig, und widerspricht darüber hinaus den journalistischen Prinzipien der Wahrhaftigkeit, Fairness und Integrität. Vielleicht können wir euch hierzu einen Workshop anbieten.
ist Gründerin und Chefredaktorin des Online-Magazins baba news.
Habe diesen Euren sehr seriösen und durchaus stringenten Breife an die NZZ nun auch gelesen, weil er in einem aufgewärmten und aufgebauschten Artikel in der SonntagsZeitung vom 24. März 24 als Beispiel für “Hassrede” zitiert wird. Was natürlich völliger Quatsch ist. Wie ja auch der indirekt über fünf Ecken argumentierende Vorwurf vom letzten Herbst, Baba News sei “antisemitisch” Quatsch war und bleibt. Dabei ist das perfide Schema stets das selbe: Wo auch immer jemand den grässlichen Vertreibungs- und Vernichtungs-Krieg Netanyahus und seiner rechtsextremen Regierung gegen Palästina und besonders gegen die 2 Millionen eingeschlossener Menschen in Gaza kritisiert, wird als “IsraelhasserIn” bezeichnet und in einem intelektuell unredlichen Kurzschluss sogleich als “AntisemitIn” verleumdet. Das ist billig, falsch und gefährlich. Es banalisiert nämlich den wirklich üblen, tatsächlichen Antisemitismus. Auch der neu afgetischte Artikel in der SoZ will Euch “Hassrede” indirekt unterstellen. Zitiert wird dabei auch eine Rede vom 11. Nov. 2023(!) so: “Es ist wichtig, nicht auf die Propaganda reinzufallen, die momentan betrieben wird.” Und Eure Empfehlung, “sich von Medien abzuwenden, wenn man mit der Berichterstattung nicht einverstanden ist”. Das sind beides Selbstverständichkeiten. Mit “Hass” haben sie nichts zu tun. Konkret könnte ich etwa die Tagi-Propaganda gegen die 13.AHV zitieren, auf welche 58,2% der Abstimmenden zum Glück nicht “reingefallen” sind. Und dass sich dieser einseitigen Kampagne wegen tatsächlich zahlreiche Tagi-AbonentInnen von dessen Blättern “abgewendet” und ihr Abo gekündigt (oder zumiundest damit gedroht) haben. Ich befürchte aber, jene Kreise, die Euch da erneut anschwärzen, wollen gar keine Diskussion: Sie wollen, dass PolitikerInnen Euch Unterstützungsbeiträge “canceln”, um Euer Medium zu vernichten. Insofern ist die NZZ effektiv “gefährlich” – ist sehr umschweizerisch. Und geht gar nicht. Finde sehr mutig, was Ihr macht. Weiter so! Bleibt dran.
Die NZZ ist zu einem ideologischen Schandblatt verkommen. Tolle Arbeit! Macht weiter so.
Und noch was: Muslime dürfen konservative Werte vertreten. So wie es konservative Juden und Christen in diesem Land gibt. Diese Gesinnungsdikatur unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung ist heuchlerisch und zutiefst muslimfeindlich. Aber leider typisch westlich.
Und noch was: Nachdem der Werte-Westen ohne Gewissensbisse Behilfe zum Genozid in Gaza leisten kann, können mir diese überhebliche, selbstgerechte Wertepredigten komplett gestolen bleiben. 0 Glaubwürdigkeit.
Schade ist es manchen Menschen nicht möglich zu erkennen dass es keine Rolle spielt, ob ich 1938 schreie “Jud*n raus” oder ob ich 2024 finde, Muslime schaden unserer Gesellschaft.
Und Muslime nicht deutlich von Islamisten zu unterscheiden ist wie alle Christen als Kreuzritter zu bezeichnen. Einfach falsch und peinlich.
Ich verstehe die ganze Diskussion hier und in der Nzz nicht. Wenn es religioes motivierten Rassismus gibt dann soll man das auch benennen und dagegen vorgehen. Egal ob antisemitisch oder antimuslimisch. Der springende Punkt des nzz Artikels ist doch, dass dort diverse Beispiele von staatlicher und staatlich finanzierter Verleugnung von antisemitischen Vorfaellen an Schulen zitiert werden. Darauf sollte man sich doch einigen koennen, dass das nicht geht bzw. dass diesem Problem aktiv begegnet werden muss.
Grossartiger Brief. Super. Danke!
Wirklich beeindruckend.
Tut mir grad enorm gut bei all dem Schrott, den ich im Web sonst so zu lesen kriege.
Ja ne, ist klar. Schüler, die in Bern Betlehem (um im Inland zu bleiben) “eine Lehrerin umzingeln, Gebete rezitieren und “Allahu akbar” rufen”, oder einer Schülerin mitteilen, dass Schminken “haram” sei, hat also nichts mit den “diffusen Begriffen” Religion und Islam zu tun, es sind einfach nur “Probleme im schulischen Kontext”.
Dass der Begriff “Islamismus” politischen Islam beschreibt, könnt ihr in circa zwei Sekunden mittels Google feststellen, da muss die NZZ keine Begriffsdefinition in ihrem Artikel integrieren. Und die Annahme, dass Kinder nicht politisch indoktriniert werden oder eine politische Haltung vertreten können, weil sie nicht stimmberechtigt sind, ist völliger Blödsinn.
Nach Rebekkas These müsste man dem Christentum die Schuld zuweisen dafür, dass gewisse Leute versuchen, mein Kopftuch herunterzureißen, mich die Treppe hinunterzustossen oder mir auf der Strasse zu drohen. Entgegen der Sichtweise ihrer Gleichgesinnten erkennen wir, dass solche Handlungen im Widerspruch zu den Grundsätzen jeder religiösen Gemeinschaft stehen und wir nicht die gesamte religiöse Gemeinschaft für sie verantwortlich machen sollten. Eine derartige Denkweise wie Ihre ist von höchster Verwerflichkeit, da sie dazu führen kann, dass man, wie im Jahre 1938, genau solche Gruppierungen verfolgt und ermordet.
1938 begann es genau so, mit medialer Hetze und Denunziationen, die dazu führten, dass das Volk das Judentum ausschliesslich mit Negativem assoziierte.
Das für dich ein Allahu Akbar Ruf oder ein rezitiertes Gebet schon ein Problem darstellt, sagt schon alles. Muslime müssen sich nicht für ihre religiöse Identität rechtfertigen und zu dieser Identität gehört die religiöse Praxis.
Die Lächerlichkeit des Begriffs “politischer Islam” ist unübertroffen. Alles ist letzten Endes politisch, weil Politik sich mit dem Leben der Menschen befasst, genau so wie es Religionen tun. Umweltschutz, Tierrecht, Familienplanung, Wirtschaftspolitik und Staatsrecht. Alles basiert auf Werten und Vorstellungen, die ihre Wurzeln in irgendwelchen Philosophien und Weltsichten haben. So gibt es in der Schweiz selbstverständlich Parteien die im Bundesparlament vertreten sind, die sich als evangelikalisch bezeichnen. Genau so können Muslime ihre Religion in ihrem Alltag und in ihrer Lebensgestaltung zum Ausdruck bringen und brauchen dafür keine Erläubnis.