Allgemein Artikel unserer Gastarbeiter*innen Artikel unserer Gastarbeiter*innen

Das Gurtenfestival, Macklemore und sein angeblicher Antisemitismus

Mit einem offenen Brief wollen angeblich besorgte Bürger*innen den Auftritt von Macklemore am Gurtenfestival verhindern. Die Vorwürfe sind derart abwegig, dass nicht einmal der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) ihnen folgen kann. Trotzdem nehmen sämtliche Medien die Kritik auf. Ein kurzer Blick darauf, wer worüber besorgt ist und wie berichtet wird.

Diesen Dienstag wurde der offene Brief «Keine Hetze von Macklemore am Güsche!» veröf­fent­licht, unter­schrieben hatten ihn 40 Personen, angeblich besorgte Berne­rinnen und Berner und «Güsche»-Fans aus der ganzen Schweiz. Adres­siert war der Brief an das Gurten­fe­stival und dessen Haupt­sponsor, das Migros Kultur­prozent. Man warf Macklemore Antise­mi­tismus vor, so würde er das Existenz­recht Israel leugnen, Israel dämoni­sieren und den Terror der Hamas als Wider­stand beschönigen.

Der Schwei­ze­rische Israe­li­tische Gemein­debund (SIG) hat sich für das SRF die Vorwürfe des Briefes angeschaut und fand die Äusse­rungen Macklemores «sehr polemisch», aber keineswegs antise­mi­tisch – mit Ausnahme einer Video­se­quenz, in der ein jüdischer Jungen aus dem Warschauer Ghetto einem Kind aus Gaza gegen­über­ge­stellt wird.

Die Sequenz dauerte drei Sekunden und stellt in den Augen des SIG eine antise­mi­tische Holocaust-Relati­vierung dar. Selbst wenn man dies so sehen würde (aufgrund der unfass­baren Lebens­um­stände der Kinder in Gaza ist der Ghetto-Vergleich nicht völlig abwegig), kann aus diesen drei Sekunden definitiv nicht geschlossen werden, dass Macklemore als Künstler antise­mi­tisch sei oder Hetze betreibt.

Auf der anderen Seite zeigt ein Blick auf die «besorgten» Unterzeichner*innen, dass viele von ihnen Lobbying für Israel betreiben.

Macklemore ist nicht antise­mi­tisch, sondern in erster Linie kritisch gegenüber Israels Politik, insbe­sondere in Bezug auf den Krieg in Gaza und die syste­ma­tische Vertreibung der Palästinenser*innen in der Westbank. Auf der anderen Seite zeigt ein Blick auf die «besorgten» Unterzeichner*innen, dass viele von ihnen Lobbying für Israel betreiben.

Die unter­zeich­nenden Daniel Jositsch und Alfred Heer sind beide Präsi­denten der parla­men­ta­ri­schen Freund­schafts­gruppe Schweiz-Israel. Eine Gruppe, die nach eigener Beschreibung im Parlament «israe­lische Positionen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Gesell­schaft und Kultur» vertritt. Weiter haben den Brief acht Vorstands­mit­glieder der Gesell­schaft Schweiz-Israel (GSI) unter­schrieben, eine Lobby-Gruppe, die öffentlich dazu aufge­rufen hat, Israelgegner*innen «syste­ma­tisch» zu überwachen. Weitere sechs Vorstands­mit­glieder gehören dem Verein «Never Again Is Now Switz­erland» (NAIN) an. Dieser ist ebenfalls ein prois­rae­li­scher Lobbying-Verein, der unter anderem die Antise­mi­tis­mus­de­fi­nition der IHRA dafür verwendet, jegliche Kritik an der israe­li­schen Unter­drückungs­po­litik als antise­mi­tisch zu framen.

Insgesamt brauchen wir 4’000 Member-Abos, um baba news finan­zieren zu können. Findest du, dass wir wichtige Arbeit machen, und dass die Schweiz mit baba news eine bessere ist? Dann unter­stütze uns jetzt mit 7 Franken pro Monat oder 80 Franken pro Jahr.

Viele der Unter­zeich­nenden betreiben somit offen Lobbying für den Staat Israel – dass diese Personen nicht glücklich über Macklemores kritische Haltung betreffend Israel sind, ist offen­sichtlich. In den Medien, die zahlreich über den offenen Brief berichten, fehlt dieser kritische Aspekt vollends. Nachdem selbst der SIG festge­stellt hat, dass Macklemore polemisch, aber nicht antise­mi­tisch sei, fragt das SRF dennoch, welche Konse­quenzen Macklemores Auftritt für das Gurten­fe­stival haben soll.

In den Medien, die zahlreich über den offenen Brief berichten, fehlt dieser kritische Aspekt vollends.

Ausserdem übernehmen die Medien unwider­sprochen sogar Argumente aus dem offenen Brief vom 15. April 2025. So schreibt «Der Bund» wortwörtlich «Zum brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 findet sich indes [im Song Hind’s Hall] keine Zeile.». Diese Passage wurde so fast identisch aus dem Brief übernommen.

Zur Erinnerung, der Titel des Songs erinnert an die fünfjährige Hind Rajab, die wie über 14’000 andere Kinder, in Gaza durch das israe­lische Militär getötet wurde. Das Fahrzeug, in dem sie sich befand, wurde von 335 Kugeln getroffen. Es mutet geradezu unglaublich an, dass offenbar das Leid der palästi­nen­si­schen Zivil­be­völ­kerung, insbe­sondere der Kinder, immer noch nicht thema­ti­siert werden darf, ohne auf den 7. Oktober und die Hamas hinzuweisen.

Statt­dessen darf Philip Bessermann, Geschäfts­leiter der Stiftung gegen Rassismus und Antise­mi­tismus (GRA), im «Blick» behaupten, dass Macklemore «jedes Mass verloren» habe und die Grenze zum Hass überschritten hätte. Warum er zu diesem Schluss kommt, muss Bessermann nicht erklären und er wird auch nicht auf die wider­spre­chende Einschätzung des SIG angesprochen.

Insgesamt brauchen wir 4’000 Member-Abos, um baba news finan­zieren zu können. Findest du, dass wir wichtige Arbeit machen, und dass die Schweiz mit baba news eine bessere ist? Dann unter­stütze uns jetzt mit 7 Franken pro Monat oder 80 Franken pro Jahr.

Zusam­men­fassend bewirkte ein offener Brief mit einer Nicht-Story zum angeb­lichen Antise­mi­tismus von Macklemore eine breite Bericht­erstattung. Doch statt die Motive der angeblich besorgten, prois­rae­li­schen Bürger*innen zu hinter­fragen, teilen die Medien bereit­willig deren Narrativ eines antise­mi­ti­schen Künstlers. So soll Druck auf Organi­sa­tionen ausgeübt werden, die Künstler*innen eine Bühne bieten, die sich in Bezug auf Israels Vorgehen in Gaza kritisch äussern.

 

Von Nico Zürcher

 

Insgesamt brauchen wir 4’000 Member-Abos, um baba news finan­zieren zu können. Findest du, dass wir wichtige Arbeit machen, und dass die Schweiz mit baba news eine bessere ist? Dann unter­stütze uns jetzt mit 7 Franken pro Monat oder 80 Franken pro Jahr.

  1. Kurt Pauli

    Hallo Nico
    Wie man sich diese Daten­sammlung in etwa vorstellen kann, sieht man unter
    https://canarymission.org unter der Rubrik ‘Profiles’.
    Nicht sehr sympathisch!

    LG Kurt

  2. Bravo Nico.
    Sehr gut geschrieben und es tut gut ein solcher Bericht zu lesen!

    Den Einheitsbrei der hiesigen Medien ist erschreckend.
    Ebenfalls die agressive Unter­drückung der genannten Organi­sa­tionen gegenüber jeglicher Kritik.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert