Nachdem bekannt wurde, dass sich unter den Macklemore-Kritiker*innen viele pro- israelische Lobbyistinnen befinden, formiert sich Widerstand: Ein Gegenbrief mit über 500 Unterschriften unterstützt das Gurtenfestival in der Entscheidung, am Macklemore-Auftritt festzuhalten. Die 500 Unterschriften kamen innert nur 48 Stunden zusammen.
Mitte April übergaben 40 Personen einen «offenen Brief» an das Gurtenfestival und dessen grössten Sponsor, das Migros Kulturprozent. Grund war das diesjährige Line-up des Festivals, zu dem auch der amerikanische Musiker Macklemore gehört. Macklemore hat sich bereits kurze Zeit nach dem 07. Oktober für einen Stopp des Genozids in Gaza ausgesprochen.
Die «besorgten Berner*innen und Güsche-Fans aus der ganzen Schweiz», wie sich die 40 Erstunterzeichnenden nennen, forderten in dem Brief an das Gurtenfestival und das Migros Kulturprozent (Hauptsponsor des Festivals) eine Ausladung des Künstlers, da er «Hetze» verbreiten würde.
Proisraelische Lobbyisten als «besorgte Berner*innen»
Wie eine Recherche von baba news zeigte, befinden sich unter den Erstunterzeichnenden nicht nur «besorgte Berner*innen und Güsche-Fans», sondern auch zahlreiche proisraelische Lobbyisten, wie z.B. der Ständerat Daniel Jositsch (SP) und der Nationalrat Alfred Heer (SVP), beide Präsidenten der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Israel.
Weiter haben den Brief acht Vorstandsmitglieder der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) unterschrieben, eine Lobby-Gruppe, die öffentlich dazu aufgerufen hat, Israelgegner*innen «systematisch» zu überwachen. Weitere sechs Personen gehören «Never Again Is Now Switzerland» (NAIN) an, ebenfalls ein proisraelischer Lobbying-Verein.
Macklemore-Supporter*innen wehren sich
Mittlerweile hat sich eine Gegenaktion gebildet. Am Ostermontag wurde ein zweiter offener Brief, diesmal von Macklemore-Supporter*innen, initiiert. Innert 48 Stunden haben den Brief über 500 Personen unterschrieben, der aktuelle Stand beträgt über 600 Unterschriften.
In dem Support-Brief danken die Unterzeichnenden dem Gurtenfestival und dem Migros Kulturprozent «für ihre Haltung gegen Druckversuche politischer Lobbyist*innen». Weiter betonen sie: «Solidarität mit Unterdrückten ist keine Hetze.»
So sei Macklemore ein Künstler «der sich seit Jahren für soziale Gerechtigkeit, Antirassismus und Menschenrechte einsetzt – sei es in den USA, im Gazastreifen, im Sudan oder im Kongo.» Künstler*innen mit Rückgrat und sozialem Gewissen sind angesichts der aktuellen Weltlage nötiger denn je. Die Tendenz, «Stimmen zum Schweigen bringen zu wollen, die sich mit Palästinenser*innen solidarisierten» bezeichnen die Unterzeichnenden als «bedrohlich».
«Dass proisraelische Lobbyisten denken, sie könnten einen renommierten Künstler aus dem Festivalprogramm streichen lassen, weil er sich auch für die Rechte von Palästinenser*innen einsetzt, ist für viele der berühmte Tropfen zu viel.»
Darunter sind zahlreiche Kommentare von Unterzeichnenden aufgeführt. So schreibt etwa L.B. aus Bern: «Das Gurtenfestival steht seit Jahrzehnten für Community, Inclusivity und künstlerische Freiheit. Einem Künstler aufgrund seiner politischen Auffassungen (die zu Recht Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellen) den Zugang zum Festival zu verwehren, ist geschmacklos und niveaulos. Dass sich das Gurtenfestival von rechten Kreisen nicht runterkriegen lässt, ist vorbildlich und bewundernswert. Long Live Gurtä!»
Die Initiant*innen selbst schreiben auf Anfrage von baba news, dass der Brief vielen Menschen aus dem Herzen spricht: «Wir bekommen Dutzende von unterstützenden Nachrichten. Dass proisraelische Lobbyisten mittlerweile denken, sie könnten einen renommierten Künstler aus dem Festivalprogramm streichen lassen, weil er sich – neben vielen anderen sozialen Themen – auch für die Rechte von Palästinenser*innen einsetzt, ist für viele der berühmte Tropfen zu viel. Die Zivilgesellschaft muss solchen Diffamierungskampagnen Paroli bieten.»
Von Albina Muhtari