Am 13. Februar stimmen wir über die Medienförderung ab. Ohne die staatliche Förderung drohen kleine Redaktionen auszusterben – Medienkonzerne bleiben übrig. Das können wir uns als Demokratie nicht leisten. Ein Beitrag von Chefredaktorin Albina Muhtari.
baba news berichtet aus dem Inneren einer multi-ethnischen Community in der Schweiz. Wir zeigen eine Seite der multikulturellen Schweiz, die in vielen anderen Medienportalen keinen Platz findet, wo Migration oft sehr einseitig dargestellt und grösstenteils problematisiert wird. Damit ist baba news in der Schweiz einzigartig und leistet einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Medienvielfalt – jener Medienvielfalt, die das Massnahmenpaket sicherstellen und fördern soll.
baba news wurde 2018 gegründet. Mittlerweile konsumieren über 18’000 Leser*innen und Zuschauer*innen aus allen Alterskategorien, Schichten oder Backgrounds baba news regelmässig. Die ersten drei Jahre haben wir baba news primär durch Freiwilligenarbeit, sprich Gratisarbeit, aufgebaut. Dieses freiwillige Engagement wurde im vergangenen Dezember von der Stadt Bern mit dem «Berner Sozialpreis» gewürdigt. Darüber haben wir uns sehr gefreut.
Und dennoch: Berichterstattung sollte kein «Sozial-Projekt» sein. Berichterstattung darf nicht vom reinen Goodwill oder von der persönlichen Aufopferungsbereitschaft von Journalist*innen oder Verleger*innen abhängig sein, zumal eine vielfältige Berichterstattung unabdingbar für die Sicherstellung unserer Demokratie ist. Bereits heute mangelt es in der Schweiz an Medienvielfalt. Ohne eine staatliche Unterstützung drohen weitere kleine Redaktionen auszusterben; es bleiben lediglich Medienkonzerne übrig. Dies ist eine Entwicklung, die wir uns als Demokratie nicht leistet können.
«Berichterstattung sollte kein Sozial-Projekt sein.»
So wie man von einem Lehrer, einer Ärztin oder einem Elektriker nicht verlangen kann, dass er oder sie seine Arbeit aus reinem Goodwill verrichtet, sollten auch Medienschaffende für ihre Arbeit adäquat bezahlt werden. Dies ist insbesondere in vielen kleinen Redaktionen nicht selbstverständlich, wo Journalistinnen und Journalisten zu einem kaum marktüblichen Lohn arbeiten. Denn der Markt ist nicht mehr in der Lage, ihre Arbeit zu finanzieren. Dass der Löwenanteil der Werbeeinnahmen an internationale Konzerne wie Google und Facebook fliesst, wurde öffentlich bereits breit diskutiert. Dass es sich dabei um eine Entwicklung handelt, die unumkehrbar ist, wissen insbesondere wir Journalist*innen nur zu gut – denn auch wir schalten unsere Werbeanzeigen primär auf Instagram und Facebook und nicht in Inseraten untereinander.
Bereits heute profitieren gedruckte Zeitungen, private Regionalradios und das Regionalfernsehen von staatlicher Unterstützung – eine Tatsache, die die Gegner*innen des Gesetzes oft (bewusst) ausblenden, denn sie argumentieren mit einer vermeintlichen Abhängigkeit der Medien vom Staat. Dabei entfällt in der Argumentation oft der Hinweis auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes. Dieses schreibt nämlich keine inhaltlichen Kriterien vor, an welche die Subventionierung gekoppelt wäre; die staatliche Unterstützung hängt ausschliesslich von den Einnahmen aus dem Leser*innen-Markt ab. Damit entkräftet sich auch das Argument, man wolle mit der staatlichen Medienförderung Medien von der Marktwirtschaft und somit von den Konsument*innen abkoppeln. Vielmehr sollte das Mediengesetz als ein Ansatz betrachtet werden, Leser*innen oder Zuschauer*innen bei der Nutzung von Medieninhalten finanziell zu entlasten.
Staatliche Förderung von privaten Medien gibt in der Schweiz schon seit 1849. Zeitungen werden in der Schweiz schon über 170 Jahre gefördert, indem die Zustellung an Abonennt*innen vergünstigt wird. Hätten die Gegner des Gesetzes tatsächlich eine derart grosse Angst vor einer Abhängigkeit der Medien gegenüber dem Staat, hätten sie ganze 170 Jahre Zeit gehabt, das System umzukrempeln. Seit 30 Jahren werden zudem lokale Radio- und Fernsehsender staatlich unterstützt, was viele davon vor dem Untergang bewahrt hat. Diese Unterstützung nun auch auf Onlinemedien auszuweiten, und somit auf digitale Entwicklungen und das Nutzerverhalten zu reagieren, ist im Jahr 2022 mehr als selbstverständlich.
Mittlerweile finanziert sich baba news über Stiftungsgelder, ein Crowdfunding und Member-Beiträge – ein Zustand, der uns die Deckung unserer Kosten momentan ermöglicht, uns jedoch in der Schwebe darüber lässt, wie es damit in ein oder zwei Jahren aussieht.
«Die staatliche Unterstützung auch auf Onlinemedien auszuweiten (…), ist im Jahr 2022 mehr als selbstverständlich.»
Das Massnahmenpaket orientiert sich an den Einnahmen aus dem Leser*innenmarkt – d.h. der Bundesrat legt fest, ab welcher Umsatz-Summe aus dem Leser*innenmarkt Onlinemedien für eine Förderung überhaupt erst infrage kämen. Dabei sollen kleine Verlage bis zu 60 Prozent dieser Einnahmen in Form von staatlichen Subventionen vergütet bekommen, grosse Verlage sollen mit Unterstützung im prozentual einstelligen Bereich rechnen. Läge die vom Bundesrat festgelegte Mindestgrenze also bei 100’000 Franken, würde baba news (vorausgesetzt die Redaktion schafft es, 100’000 Franken via Member-Beiträge zu generieren) mit 60’000 Franken unterstützt werden. Für einen Medienkonzern ist das nicht viel Geld – unserer vierköpfigen Redaktion würde dies jedoch die Schaffung einer weiteren Stelle ermöglichen.
Somit ist zwar noch unklar, ob baba news in absehbarer Zeit von der Annahme des Gesetzes profitieren würde, da die Member-Beiträge noch einen relativ kleinen Teil unserer Einnahmen ausmachen. Nichtsdestotrotz würde uns (und vielen weiteren kleineren Redaktionen) mit dem Gesetz ein weiteres Instrument zur Verfügung stehen, um unser Geschäftsmodell auszubauen und weiterzuentwickeln – und somit als Redaktion über einen längeren Zeitraum fortzubestehen.
Unabhängig davon, ob das Mediengesetz angenommen wird oder nicht, sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Wenn du also unsere Arbeit feierst, kannst du sie supporten, indem du Member wirst.
ist Gründerin und Chefredaktorin des Online-Magazins baba news.
Liebe Albina
Spannender Artikel! Ich finde auch, Babanews ist in der Schweiz einzigartig und leistet einen wichtigen Beitrag zu einer abwechslungsreichen Medienlandschaft.
Kleinmedien sterben immer mehr aus und die Berichterstattung in den grossen Medien läuft in der Schweiz meist über einzelne Verlage, die man an einer Hand abzählen kann. Das ist keine gute Entwicklung, da hast du Recht.
Das ist offenbar unser Zeitgeist: Immer mehr wollen immer weniger für Zeitungsabos und generell für Nachrichten zahlen. Dort müssen Journalistinnen und Journalisten aber ansetzen und diese Leute überzeugen, genau dafür (mehr) Geld auszugeben, genauso wie wir/ihr das mit den Membern gemacht haben/habt. 😉 Und auch Werbung ist ein unumgänglicher Finanzierungsfaktor.
Ich glaube aber weiterhin, dass die Nachteile bei Annahme jener Vorlage überwiegen werden. Die riesigen Medienkonzerne werden noch mächtiger werden. Und ich muss noch mehr Steuern zahlen, um die nicht-neutrale und nicht selten qualitativ schlechte Arbeit dieser Konzerne mitzufinanzieren. Dazu bin ich immer weniger bereit. Ausserdem ist es eine Schande, dass viele Artikel dieser Medien, die staatlich finanziert werden, hinter einer Paywall sind. Ich muss also noch extra draufzahlen, wenn ich überhaupt etwas lesen will. Und zuletzt sind die Gelder nicht an Inhalten gekoppelt, das stimmt, doch das müssen sie gar nicht. Generell berichten Medien weniger staatskritisch, je mehr Geld sie vom Staat oder staatlichen Funktionären erhalten. Von Südosteuropa kennen wir das ja ziemlich gut.
Ich werde also ganz sicher ein Nein in die Urne einlegen, mehr noch, ich werde sogar Plakate gegen die Vorlage aufhängen gehen. Ich werde aber ständig an Babanews denken müssen, denn für Babanews wäre ein Ja wirklich besser. Doch ich bin überzeugt, dass dieses Medium oder zumindest diese Journalismus-«Nische» eine Zukunft in der Schweiz hat.
Lieber Gruss
Fisnik