Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Wer eine Einladung zum eritreischen Kaffeeritual annimmt, lässt sich auf jeden Fall auf eine Überraschung ein.
Schon mit einem Fuss zur Tür heraus, werde ich nochmal aufgehalten. «Willst du meinen Kaffee probieren?», fragt Haben euphorisch. Ich schaue auf die Uhr – eigentlich sollte ich schon lange zu Hause sein. Aber so ein Kaffee, der wird schon noch drin liegen. Ist ja gewöhnlich eine Sache von fünf Minuten, denke ich. Bald würde ich es besser wissen.
Haben verschwindet in ihrem Zimmer und ich pflanze mich wieder aufs Sofa. Auf dem winzigen Bildschirm läuft seit Stunden ein Comedy-Sender auf Tigrinya. «Bist du bereit?», ruft sie gefühlte Stunden später und kichert. Zurück kommt keine Haben in Jogginghose, sondern eine eritreische Prinzessin. Sie hat ihre Haare gemacht, und das weisse Kleid reicht bis zum Boden. «Wenn wir schon Kaffee machen, dann richtig!», verkündet sie und dreht sich mit der Festtagskleidung im Kreis.
Maschine an, Kapsel rein, Knopf drücken, fertig. So läuft Kaffeemachen bei mir zu Hause. Bei Haben geht das anders. Bei der Bohne fängt sie an. Noch ungeröstet soll sie sein, «dann schmeckt es frischer». Innert Sekunden verwandelt sich die kleine Küche in eine Kaffeerösterei: Schön verteilt auf der heissen Herdplatte kohlen die Kaffeeböhnchen vor sich hin, bis sie dunkelbraun sind und duften.
«Wird heute später, esst schon mal ohne mich»
Der nächste Schritt ist das Mahlen. Eine Stunde ist vorbei, und der erste Kaffee ist noch immer nicht fertig. «Wird heute später, esst schon mal ohne mich», schreibe ich nach Hause. Unterdessen klettert Haben in ihrem Kleid über die Couch auf den Wandschrank und hält triumphierend zwei suspekte Behälter in die Luft. Der eine stellt sich als Lehmtopf heraus, in dem wir die zermalmten Bohnen mit kaltem Wasser mischen. Der andere ist… ein Grill?
Tatsächlich wird als nächstes ein Sack Kohle aus dem Schrank geholt und mitten im Wohnzimmer der Grill angeschmissen. Der ist zwar klein, reicht aber aus, um die ganze Wohnung innert kürzester Zeit in rauchigen Nebel zu legen. Über der glühenden Kohle ragt der Lehmtopf, in dem unser Kaffee ganz langsam zu blubbern anfängt. Oben stopfen wir ein Stück Watte ins Gefäss, um das Pulver abzufiltern. «In Eritrea benutzen wir Pferdehaar dafür», erzählt Haben. «In der Schweiz ist das komplizierter. Meistens nehme ich die alten Knoblauchnetzchen, das funktioniert auch nicht schlecht.» Bevor’s losgeht, legen wir einen kleinen Duftblock auf den Grill. «Das gehört sich so, bevor wir zu trinken anfangen. Es soll schliesslich gut riechen.» Dann ist es so weit – feierlich füllt Haben unsere Tassen.
«So etwas machen wir oft 615–544-0699 , wenn die Familie vorbeikommt»
Beim ersten Schluck habe ich das Gefühl, mich haut’s vom Stuhl. Das Gebräu hat’s in sich! «Und, wie findest du’s?», fragt Haben erwartungsvoll. «Hmmm. Ich glaube, daran muss ich mich erst gewöhnen.» «Trifft sich gut», findet Haben. Das war nämlich erst der erste Durchgang – der Krug wird immer wieder aufgefüllt. Wir sitzen und sitzen, trinken Kaffee und reden. «So etwas machen wir oft, wenn die Familie vorbeikommt», erzählt Haben. «Dann trinken wir den ganzen Tag Kaffee und reden.» Kaffee trinken ist mehr als einfach nur Kaffee trinken.
Ich glaube, heute Abend werde ich nichts mehr zu essen bekommen und wohl auch die ganze Nacht kein Auge zutun. Aber das ist mir herzlich egal – diese wunderbare Kaffeezeremonie wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Wir haben die Kaffeezeremonie nachgefilmt. Unser letztes Kaffeetreffen liegt schon einige Zeit zurück. Seither hat Haben grosszügig aufgestockt: Statt Kohlengrill und Herdplatte benutzt sie jetzt einen Profi-Gasgrill!
Die Zeremonie ist schön, aber der Kaffee ungeniessbar. xD
Liebe Haben und Elena, vielen Dank für diese unterhaltsame Geschichte über ungewöhnliche Gebräuche. Schön, wenn Haben versucht, diese in ihrer neuen Heimat beizubehalten! Da gibt es sicher noch mehr als Kaffezubereitung… Ich freue mich auf weitere Artikel von Baba News. Uschi aus Luzern