Für Menschen ohne politisches Mitbestimmungsrecht gibt es neu eine Möglichkeit, sich öffentlich zu aktuellen Abstimmungsfragen zu äussern. Die Plattform Forum for Inclusion sammelt anonyme Wortmeldungen in Form von kurzen Sprachnachrichten.
Aktuell hat über ein Drittel der Bevölkerung auf der eidgenössischen Ebene kein Stimm- und Wahlrecht. Die meisten davon, ein Viertel der Gesamtbevölkerung, können nicht mitbestimmen, weil sie keinen Schweizer Pass haben. Aber auch Minderjährige und Personen, die für dauerhaft urteilsunfähig erklärt wurden, dürfen nicht an nationalen Abstimmungen und Wahlen teilnehmen.
Nun gibt die Plattform Forum for Inclusion diesen Menschen eine Stimme. «Wir wollen die Menschen hinter dieser Statistik fassbarer machen und damit dem Diskurs über politische Mitbestimmung eine menschliche Dimension geben», sagt Kadira Mujkanović, eine der Projektverantwortlichen. Die Initiant*innen wollen so ein Bewusstsein dafür schaffen, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung nicht abstimmen darf. Und dies sei problematisch, erklärt Jeannie Schneider, eine weitere Projektverantwortliche, «weil die Legitimität einer Demokratie ja gerade von der Partizipation möglichst vieler Menschen abhängt».
«Wir wollen dem Diskurs eine menschliche Dimension geben.»
Auf der Plattform können sich Menschen ohne eidgenössisches Stimmrecht in kurzen Sprachnachrichten zu aktuellen Abstimmungsfragen äussern. Die Initiator*innen setzen bewusst auf Audiobeiträge: «Sprachnachrichten sind inzwischen eine weit verbreitete Kommunikationsform. Es fällt vielen leichter, sich so auszudrücken, als schriftliche Statements abzugeben», sagt Mujkanović. Sprachnachrichten seien für ihr Projekt auch deswegen besonders geeignet, erklärt sie weiter, «weil sie den Wortmeldungen einen persönlichen Anstrich verleihen».
Eine respektvolle digitale Öffentlichkeit schaffen
Hinter dem Projekt steht Dezentrum, ein Zürcher Think-Tank, der sich mit gesellschaftlichen Fragen rund um die Digitalisierung beschäftigt. Mit der Plattform will der Think-Tank einen digitalen Diskurs anstossen, der anders funktioniert als derjenige auf kommerziellen Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. Das Problem dieser Plattformen beschreibt Schneider so: «Weil die gängigen sozialen Medien die Interaktionszeit maximieren wollen, kommt es dort oftmals zu Dynamiken der Hassverbreitung.» Denn da sich Facebook, Twitter und Co. durch Werbung finanzieren, zeigen sie ihren Nutzer*innen besonders oft polarisierende Inhalte, damit diese länger auf der Plattform bleiben.
«Auf der Plattform soll vor allem zugehört werden.»
Im Gegensatz dazu möchten die Initiator*innen mit dem Forum for Inclusion eine digitale Öffentlichkeit schaffen, in der respektvoll miteinander umgegangen wird. Dafür wählten sie ein sehr einfaches Design: Die Plattform verzichtet auf Likes und eine Kommentarfunktion und erlaubt nur anonyme Beiträge. Damit möchten sie verhindern, dass sich Teilnehmer*innen individuell profilieren können. «Es soll vor allem zugehört werden», sagt Mujkanović. Ausserdem, erklärt sie weiter, schütze die Anonymisierung Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus, für die es ansonsten riskant wäre, sich auf der Plattform zu äussern.
Ausgeschlossen bleiben jedoch Menschen, die kein Deutsch sprechen oder sich sprachlich nicht sicher genug fühlen, um sich zu politischen Fragen zu äussern. Dazu sagt Schneider: «Zu Beginn setzen wir auf ein schlankes Format, damit wir unser Konzept schnell erproben und anschliessend mithilfe erster Erfahrungswerte weiterentwickeln können.»
Kein Ersatz für echte politische Teilhabe
Für Menschen ohne Mitspracherecht mag eine Plattform wie das Forum for Inclusion ein schwacher Trost sein. Dessen sind sich die Initiator*innen bewusst und sehen ihr Projekt daher auch nicht als Lösung für das Problem der eingeschränkten politischen Teilhabe. «Die Möglichkeit, die eigene Meinung auf unserer Plattform zu teilen, ändert natürlich nichts daran, dass jemand de facto vom politischen Prozess ausgeschlossen ist», sagt Schneider. Daher sei ihr Projekt kein Ersatz für parlamentarische Vorstösse oder politische Initiativen, die den Kreis der Stimmberechtigten erweitern wollen.
«Unser Projekt ist kein Ersatz für politische Vorstösse.»
Ausserdem dürfe man die Wortmeldungen auf der Plattform nicht mit einer repräsentativen Umfrage verwechseln. Schneider betont: «Verallgemeinerungen wären heikel, da es sich nicht um eine statistische Erhebung handelt und wir keinen Überblick über die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen haben.»
Audiobeiträge zu den aktuellen Abstimmungsfragen aufnehmen und anhören könnt ihr unter www.f4i.ch.