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Muslim*innen im Hallenstadion und Hetze in der Weltwoche

Ein SRF-Beitrag zeigt muslimische Gläubige beim Eid-Gebet im Zürcher Hallenstadion – für die Weltwoche offenbar Grund genug, den kulturellen Notstand auszurufen. Doch was als Skandal verkauft wird, zeigt in Wahrheit nur eins: Menschen brauchen Platz zum Glauben. Eine Antwort auf mediale Panikmache und rassistische Narrative.

Würde man David Biners Weltwoche-Artikel Glauben schenken, könnte man meinen, der Bundesrat stehe kurz davor, seine Sitzungen mit dem islami­schen Gebetsruf zu eröffnen. Was war passiert? Ein Tages­schau-Beitrag des SRF zeigte Muslim*innen beim tradi­tio­nellen Eid-Gebet, die (oh Schreck!) wegen Platz­mangels ins Zürcher Hallen­stadion auswichen.

Anstatt eines «islami­schen Staats­streichs» oder einer «Weltneuheit» offen­barte der Tageschau-Beitrag des SRF etwas viel Banaleres: Dass religiöse Gemein­schaften, ob christlich, jüdisch oder musli­misch, schlicht Räume brauchen, um zu feiern. Dass ausge­rechnet ein Hallen­stadion, sonst Tempel für Hockey und Popkon­zerte, zum Gebetsort wurde, ist keine Hiobs­bot­schaft, sondern ein Beleg für Vielfalt und pragma­tische Lösungen.

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Doch die Weltwoche, betrieben von SVPler und Chefre­daktor Roger Köppel (der nebenbei auch gern mal offen rechts­ra­dikale Populist*innen wie Alice Weidel als Gastkommentator*innen einlädt), sieht in dem Beitrag nur eines: den Untergang des Abend­landes – herauf­be­schworen durch stille Gebete in einer Sporthalle.

Anstatt über religiöse Vielfalt zu berichten, schreibt Köppels Blatt lieber Horror-Stories über harmlose Hallen­nut­zungen und schürt dabei tief rassi­stische Ängste. Kommt als nächstes der Vorwurf, das Hallen­stadion würde in Zukunft nur noch Halal-Gerichte verkaufen und die Straf­raum­linien nach Gebets­richtung ausrichten? Werfen wir einen Blick auf den Artikel.

Dass ausge­rechnet ein Hallen­stadion (…) zum Gebetsort wurde, ist keine Hiobs­bot­schaft, sondern ein Beleg für Vielfalt und pragma­tische Lösungen.

Mekka, Jerusalem, Oerlikon – und die Macht der Zahlen

Weltwoche-Redaktor Biner rechnet eifrig vor: Während 1970 noch alle Schweizer Muslime ins Hallen­stadion passten, sind es heute mittler­weile 500’000. Ein alarmie­render Trend? Oder schlichtweg das Ergebnis von Einwan­derung (von der die Schweiz fabelhaft profi­tiert) und Globa­li­sierung, gepaart mit der Tatsache, dass Menschen ihr Recht auf Religi­ons­freiheit wahrnehmen?

Dass der Anteil der Christ*innen schrumpft, liegt nicht an der «Import-Islami­sierung», sondern an der Säkula­ri­sierung und eigenen Glaubens­vor­lieben. Aber eine tief rassi­stisch verwur­zelte Sicht­weise auf den «verschwö­re­ri­schen Islam», der sich langsam im Dunkeln ausbreiten und alles einnehmen würde, verkauft sich schlichtweg besser, weil sie mit Angst und rassi­sti­schen Vorur­teilen spielt.

So wird auch die Geschlech­ter­trennung beim Gebet im Weltwoche-Artikel als Rückschritt ins Patri­archat darge­stellt. Doch was, wenn dies für viele Frauen einen bewussten und geschützten Rückzugsraum darstellt – ähnlich wie Frauen-Yoga oder Frauen­schwimmen? Pauschale Urteile über «Unter­drückung» ignorieren die Selbst­be­stimmung der Betroffenen.

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Eine Teilneh­merin betont im SRF-Beitrag: «Wir sind Muslime, wir sind in der Schweiz.» Hier klingt kein missio­na­ri­scher Eifer, sondern der Wunsch nach Zugehö­rigkeit. Nicht jede kultu­relle Differenz muss zum Kultur­kampf eskalieren. Wer hier eine «politische Agenda» wittert, übersieht: Inklusion heisst nicht, das Christentum zu verraten, sondern Vielfalt zu leben.

Hier klingt kein missio­na­ri­scher Eifer, sondern der Wunsch nach Zugehörigkeit.

Dass der Bundesrat Beat Jans das Fasten­brechen besucht oder am Karfreitag schweigt und Ostern privat feiert, wird im Weltwoche-Artikel als Beweis für «Islam-Hörigkeit» gedeutet. Vielleicht ist es aber auch einfach Respekt vor der Stille eines Feiertags – oder die Einsicht, dass Religion auch Privat­sache sein darf?

Die Frage «Wie viel Islam verträgt die Schweiz?» stellt deshalb eine falsche Dicho­tomie dar. Eine offene und demokra­tische Gesell­schaft sollte katho­lische Prozes­sionen, jüdische Feiertage und musli­mische Gebete unter einen Hut bringen können.

Krimi­na­lität und Herkunft: Einfache Antworten auf komplexe Fragen

Der Artikel bemüht ebenfalls Krimi­nal­daten, um Muslime*innen unter General­ver­dacht zu stellen. Afghanen, Marok­kaner, Tunesier – allesamt «impor­tierte Gewalt»? Als Quelle wird unter Anderem das Buch des ehema­ligen foren­si­schen Psych­iaters Frank Urbaniok «Schat­ten­seiten der Migration» heran­ge­zogen. Seine These: Bestimmte Natio­na­li­täten begehen «impor­tierte Gewalt». Afghanen fünfmal, Marok­kaner achtmal häufiger als Schweizer?

Das klingt nach Alarm­stufe Rot – bis man die Zutaten­liste prüft: Urbanioks Rezept blendet nämlich aus, dass junge Männer generell gewalt­a­ffiner geworden sind, egal ob aus Zug oder Kabul. Über die Ursachen lässt sich disku­tieren; bei Migranten wird jedoch jede Rangelei zum «Kultur­kampf» hochsti­li­siert, beim einhei­mi­schen Säufer heisst es «Jugend­sünde».

Wenn afgha­nische Jugend­liche in der Schweiz straf­fällig werden, liegt das nicht am Islam, sondern daran, dass viele als Geflüchtete jahrelang in Lagern hockten.

Dass Urbaniok lange keinen Verlag fand, der sein Buch heraus­geben wollte, ist kein Zufall. Es bedient ein Narrativ, das weniger mit Fakten als mit selek­tiver Empörung arbeitet. Wie baba news in einer Analyse zeigt, werden Krimi­nal­sta­ti­stiken oft zum Angst-Bouquet gebunden: Man pflückt Rosinen wie Herkunft, ignoriert aber Wurzeln wie Armut, Traumata oder struk­tu­rellen Rassismus.

Ein Beispiel: Wenn afgha­nische Jugend­liche in der Schweiz straf­fällig werden, liegt das nicht am Islam, sondern daran, dass viele als Geflüchtete jahrelang in Lagern hockten – ohne Bildung, Perspek­tiven oder Therapie für erlittene Kriegs­gräuel. Das ist kein Freibrief, aber ein Hinweis darauf, dass Integration scheitert, bevor sie beginnt.

Fazit: Schat­ten­boxen gegen Scheinriesen

David Biners Artikel ist kein Aufklä­rungswerk, sondern ein Symptom der Angst vor dem Unbekannten – wie ein Kind, das im Dunkeln Monster wähnt, bis die Mutter das Licht anschaltet. Die Schweiz hat Heraus­for­de­rungen, aber die liegen nicht im Hallen­stadion oder im Islam, sondern in den Köpfen jener, die Vielfalt als Schwäche statt als Stärke sehen. Wer mit verein­fachten Stati­stiken und rassi­sti­schen Ressen­ti­ments hetzt, macht aus der Auslebung religiöser Vielfalt einen Prügel­knaben – und lenkt von den echten Problemen ab.

Das Hallen­stadion war voll, nicht weil der Islam expan­diert, sondern weil die Schweiz lernt, Platz zu machen.

Zum Schluss eine Frage an den Autor: Würden Sie lieber in einer Schweiz leben, in der Muslim*innen im Verbor­genen beten – oder in einer, die offen zeigt, wie Diver­sität funktio­niert? Das Hallen­stadion war voll, nicht weil der Islam expan­diert, sondern weil die Schweiz lernt, Platz zu machen. Und das ist keine Bedrohung, sondern ein Kompliment an unsere Fähigkeit, Lebens­rea­li­täten – und Hallen –, zu teilen. In dem Sinne: Lasst uns weniger Angst vor Schat­ten­seiten haben und mehr Licht anmachen.

 

Von Ayaan Mehdi

 

«Insgesamt brauchen wir 4’000 Member-Abos, um baba news finan­zieren zu können. Findest du, dass die Schweiz mit baba news eine bessere ist? Dann unter­stütze uns jetzt mit 7 Franken pro Monat oder 80 Franken pro Jahr.

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