Allgemein

Schweizer sammeln Spenden für israelisches Museum mit palästinensischer Raubkunst 

Während Israel seit über einem Jahr einen Genozid in Gaza verübt, wird im Kunsthaus Zürich Geld für ein israelisches Museum gesammelt, das geplünderte Artefakte aus Palästina ausstellt und israelische Soldat*innen unterstützt. Eine Recherche. 

Elegante Kleider, feines Essen, teure Kunst und exklusive Live-Musik: So sah Ende November eine im Kunsthaus Zürich abgehaltene Spendengala wohlha­bender Unterstützer*innen des Israel Museums aus. Dazu einge­laden hatten die «Schweizer Freunde des Israel Museums». Für einen Eintritts­preis von 600 Franken gab es ein Dinner, eine Kunst­auktion und eine Perfor­mance der diesjäh­rigen israe­li­schen Eurovision Sängerin Eden Golan. 

baba news war vor Ort, durfte aller­dings nur an der Perfor­mance der Eurovision-Sängerin teilnehmen. Aus dem Vorraum aus war im Vorhinein dennoch zu hören, wie die Preise während der Kunst­auktion in die Höhe schnellten: Bis zu 10’000 Franken tief griffen die Besucher*innen in die Taschen, um Kunst­werke zu ergattern, die von verschie­denen Personen und Organi­sa­tionen an die Event-Veran­stalter gespendet worden waren.

Nach der Auktion trat dann schliesslich Eden Golan in einem silbernen Kleid vor die rund 150 Gäste. Während ihrer rund 20-minütigen Perfor­mance hielt die diesjährige Eurovision-Sängerin eine Rede, in der sie von den «armen Kindern in Israel» sprach, die «ihre Kindheit nicht geniessen» konnten, weil sie sich in Bunkern verstecken müssten. Den mehr als 13’000 durch Israel getöteten Kindern aus Gaza widmete die Sängerin kein Wort. Presse-Inter­views wurden nicht zugelassen – die Sängerin verschwand nach einem raschen Selfie mit Fans in den Backstage-Bereich.

Sponsor*innen: EDU-Präsident und Ringier-Verleger

Als Sponsor*innen des Events werden auf einem Flyer, der an der Veran­staltung auslag, der Präsident der Aargauer EDU, Roland Haldimann, sowie verschiedene Kunst­un­ter­nehmen und das Marriott Hotel Zürich aufge­zählt. Der Event wurde weiter von der Ellen & Michael Ringier Stiftung gesponsert – den Ringier-Verlegern gehören der Blick, die Handels­zeitung, die Schweizer Illustrierte, Bilanz, NRJ, Glückspost, Beobachter und zahlreiche weitere Medien. 

Auch ein Ringier-Journalist nahm an dem Event teil. Blick-Bundes­haus­re­daktor Raphael Rauch liess es sich mit Speis und Trank gut gehen und tanzte applau­dierend zur Perfor­mance der israe­li­schen Sängerin. Am Tag darauf veröf­fent­lichte Rauch dann einen Artikel, in dem er schrieb, dass die Sängerin während ihres Auftritts «brillierte».

Wenn uns die Krise der vergan­genen Monate etwas gelehrt hat, dann ist es die Erkenntnis, wie absolut notwendig unabhängige Bericht­erstattung ist. Um in Zukunft noch mehr Themen abdecken zu können, haben wir eine neue Redak­ti­ons­stelle geschaffen. Dieser Artikel ist ein Produkt davon. Du kannst mithelfen, die neue Stelle zu finanzieren.

Aktivist*innen kriti­sieren Golan-Auftritt und Raubkunst im Israel Museum

Doch nicht alle waren so begei­stert von der Gala: Vor dem Eingang des Events übten Aktivist*innen eine Farbat­tacke aus. Eine Person übergoss sich mit roter Farbe und legte Bilder des israe­li­schen Minister­prä­si­denten Benjamin Netanyahu auf den Boden, auf denen «Faschist» stand. In Rauchs Blick-Artikel wird die Farbat­tacke als «antise­mi­tisch» abgetan. Die Aktivist*innen selbst veröf­fent­lichten derweil einen Instagram-Post, worin sie die «Festnahme der Soldatin Eden Golan» fordern. 

Golan ist zwar keine Soldatin, befür­wortet das israe­lische Militär aber öffentlich. Die 21-Jährige wurde aus medizi­ni­schen Gründen vom Militär­dienst befreit, kündigte aller­dings erst vor wenigen Wochen an, sie würde sich dennoch für den Freiwil­li­gen­dienst anmelden. Gegenüber der israe­li­schen Zeitung «Ynet» geben Quellen aus Golans Umfeld an, es sei «wichtig für sie, sich freiwillig für die Soldat*innen zu engagieren». Geplant sei zudem, dass Golan «an einer weltweiten Public-Diplomacy-Kampagne teilnehmen und ihren Freiwil­li­gen­dienst beginnen wird, sobald die Kampagne abgeschlossen ist». Zu der «Diplo­matie-Kampagne» gehören offenbar auch Auftritte vor inter­na­tio­nalen Botschafter*innen, denn im Oktober trat Golan vor den Vereinten Nationen im Namen Israels auf. 

Die Aktivist*innen, die vor dem Zürcher Kunsthaus die Farbat­tacke verübten, waren aber nicht die Einzigen, die die Gala kriti­sierten. baba news sprach vor dem Event am Bellevue mit anderen Aktivist*innen, die dort Flyer bezüglich der Gala verteilten. Auch sie hielten den Golan-Auftritt für proble­ma­tisch. Zudem kriti­sieren sie, dass Räumlich­keiten für palästi­na­so­li­da­rische Events nur schwer zu bekommen seien, während eine «reiche Elite» problemlos das Kunsthaus bekäme.

Israel Museum stellt geraubte Kunst aus Gaza und der Westbank aus

In dem Flyer wird weiter kriti­siert, dass sich das Kunsthaus durch die Gala an der «Finan­zierung von Raubkunst» beteilige: «Dies geschieht genau jetzt, nachdem die israe­lische Besatzung wertvolle Artefakte in grosser Zahl aus Gaza gestohlen hat – bevor sie die dortigen Museen zerstörte.» 

Amer Shomali, Direktor vom Palästina Museum in Al Birzeit, Westjor­danland, bestätigt diese Vorwürfe gegenüber baba news. «Die Sammlung von Moshe Dayan ist ein gutes Beispiel für die geplün­derten Werke, die das Israel Museum beher­bergt», sagt er auf Anfrage.

Dayan war in den 1960er und 70er Jahren israe­li­scher Vertei­di­gungs­mi­nister, und soll diese Position genutzt haben, um Artefakte im Westjor­danland und im Gazastreifen zu rauben. Nach seinem Tod kaufte das Israel Museum Dayans Sammlung für rund eine Million Dollar von seiner Witwe ab. «Das Museum weiss ganz genau, dass diese Werke geraubt wurden, was nach inter­na­tio­nalem Recht illegal ist», betont Shomali. «Trotzdem sind diese Werke bis heute im Israel Museum ausgestellt.»

Irrefüh­rende Deklaration

Zu den bedeu­tendsten Artefakten der Dayan-Sammlung gehören Särge, die über 3000 Jahre alt sind, und aus Deir al Balah im Gazastreifen stammen. «Nach dem Krieg von 1967 plünderte Dayan diese sogenannten Anthro­podien, die sehr wertvoll sind, und aus der späten Bronzezeit stammen», erklärt Shomali. 

Den Besucher*innen des Museums werde die Herkunft der Werke aber nicht richtig vermittelt. Denn bei den Artefakten aus Gaza sei der Ursprung laut Shomali lediglich als «östlich der Sinai» angeschrieben. «Geogra­fisch gesehen stimmt das schon, die Fundstätte liegt östlich der Sinai. Aber sie hat einen Namen, und zwar Deir Al-Balah. Die Museums­be­treiber weigern sich aller­dings, Gaza oder Palästina als Fundstätten zu nennen, und versuchen statt­dessen, die Bildun­ter­schriften so zu manipu­lieren, dass sie das Wort Palästina umgehen können.»

Recherchen wie diese brauchen Zeit und die Arbeit dahinter muss bezahlt werden. Hilf mit, unsere neue Redak­ti­ons­stelle zu finan­zieren, und fördere so unabhän­gigen Journalismus.

Neues Gesetz legiti­miert Raub

Die Situation im Hinblick auf geraubte Werke hat sich gemäss Shomali bis heute nicht gebessert – im Gegenteil. «Im vergan­genen Monat hat die israe­lische Regierung ein neues Gesetz erlassen, das es den Israelis erlaubt, im Westjor­danland Artefakte auszu­graben», sagt der Museums­di­rektor. Gleich­zeitig gibt es Berichte aus Gaza, dass während des gegen­wär­tigen Genozids Artefakte gestohlen wurden. 

Ende Januar veröf­fent­lichte der israe­lische Direktor der Alter­tums­be­hörde auf seinem Instagram-Account Posts, in denen er erklärte, sein Stell­ver­treter sei nach Gaza geflogen worden, um dort Antiqui­täten zu begut­achten. Diese wiederum sollen Berichten zufolge in der Knesset – dem israe­li­schen Parlament – ausge­stellt worden sein. Das bestä­tigte der Direktor auch selbst in einem seiner Posts, worin er schrieb: «Eine kleine Vitrine wurde in der Knesset aufgestellt.»

Als Kritik laut wurde, löschte der Direktor die Posts. Die Behörde veröf­fent­lichte daraufhin eine Stellung­nahme: «Die Alter­tums­be­hörde wurde von der israe­li­schen Armee beauf­tragt, ein Lagerhaus in Gaza zu inspi­zieren, das antike oder vermutlich antike Gegen­stände enthielt. Ein Archäologe führte eine vorläufige Unter­su­chung durch und die Ergeb­nisse werden später der israe­li­schen Armee übergeben. Die Gegen­stände wurden an ihrem Platz belassen.» Dies steht offen­sichtlich im Wider­spruch zu der vorhe­rigen Aussage, dass einige der Artefakte in der Knesset ausge­stellt worden waren. 

«Israel will mehr plündern»

Das Entfernen archäo­lo­gi­scher Funde aus besetzten Gebieten stellt eine Plünderung von Kultur­gütern dar, und verstösst gegen inter­na­tio­nales Recht, wie etwa in der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut in Kriegs­zeiten festge­halten wurde. Auch Israel hat die Konvention unter­schrieben. Für Shomali ist dennoch klar: «Israel will mehr plündern und zeigt keinen Willen, Artefakte zurück­zu­geben. Wir sind also noch weit davon entfernt, unsere Antiqui­täten zurück­zu­fordern, sondern befinden uns noch immer in der Phase, in der wir Israel dazu auffordern müssen, mit dem gegen­wär­tigen Plündern aufzu­hören. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, bevor wir unsere Artefakte zurückbekommen.»

Der palästi­nen­sische Archäologe und ehemalige Direktor des Palästina Museums, Mahmoud Hawari, betont gegenüber baba news ebenso, dass «Tausende Antiqui­täten» illegal erworben und bis heute «in den archäo­lo­gi­schen Galerien sowie Gärten des Israel Museums ausge­stellt» werden. Für proble­ma­tisch hält er insbe­sondere auch die Geschichte, die im Museum durch die Artefakte erzählt würde: «Die Geschichte des Landes Israel statt Palästinas, und die Geschichte des Judentums statt des palästi­nen­si­schen Volkes, welches über Jahrtau­sende in dem Gebiet lebte.» Einige der Artefakte reichen zudem bis weit vor die Zeit des Judentums zurück. 

Recherchen wie diese brauchen Zeit und die Arbeit dahinter muss bezahlt werden. Hilf mit, unsere neue Redak­ti­ons­stelle zu finan­zieren, und fördere so unabhän­gigen Journalismus.

Israel Museum unter­stützt Soldat*innen nach Gaza-Einsatz

Proble­ma­tisch ist das Israel Museum nicht nur im Hinblick auf Raubkunst. Wie baba news erfahren hat, arbeitet das Museum auch aktiv mit Soldat*innen zusammen, die am gegen­wär­tigen Genozid in Gaza beteiligt waren. Im Event-Flyer heisst es in einer Nachricht der Museums­di­rek­toren: «Vom ersten Tag des Krieges (…) begannen unsere engagierten Mitar­bei­tenden damit, vertriebene Kinder und ihre Familien in Hotels in Jerusalem und im ganzen Land zu erreichen, und den israe­li­schen Bürger*innen und Soldat*innen, die an Posttrau­ma­ti­schen Belastungs­stö­rungen leiden, die heilende Kraft der Kunst näherzubringen.» 

Das Museum scheint das israe­lische Militär aber auch abseits dieser Programme zu fördern – denn für alle aktiven Soldat*innen ist der Eintritt gratis. Kinder und Senior*innen müssen hingegen zahlen, um das Israel Museum zu besuchen. Das Museum bietet ebenso Ausstel­lungs-Touren an, die für Soldat*innen gratis sind – gemäss Website mithilfe der «freund­lichen Unter­stützung der Freunde des Israel-Museums». Ob dazu auch die Schweizer Freunde oder die Besucher*innen der Spendengala gehören, bleibt unklar. 

Das Museum selbst geht auf baba news’ Anfrage nicht weiter auf seine Soldat*innen-Programme ein. Ebenso bleibt unklar, wohin genau das in Zürich gesam­melte Geld fliessen soll. Das Kunsthaus Zürich sagt auf Anfrage von baba news, das Geld würde gemäss des Mietver­trags «ausschliesslich pädago­gi­schen Zwecken der Kultur­ver­mittlung zugute­kommen». Das Israel Museum ignorierte eine entspre­chende Anfrage von baba news hingegen. Auch die Schweizer Freunde des Israel Museums hüllen sich in Schweigen.

Einfluss der Regierung unklar

Weiter­gehend bleibt unklar, wie eng das Museum mit der israe­li­schen Regierung zusam­men­ar­beitet. Auf der Spendengala erzählte eine Kultur­schaf­fende des Israel Museums baba news, dass Künstler*innen und Kurator*innen alles in ihrer Macht stehende tun würden, um palästi­nen­sische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. «Aber das Museum ist eine staat­liche Einrichtung, und unsere Regierung ist leider faschi­stisch», so die Kulturschaffende. 

Das Museum selbst sagt hingegen – sowie auch das Kunsthaus Zürich und die Schweizer Freunde des Israel Museums –, dass es sich um eine «nicht­staat­liche, unabhängige Einrichtung» handeln würde. Zum Bord der Direktor*innen gehört dennoch die Bürger­mei­sterin von Jerusalem – die wiederum der Likud Partei von Minister­prä­sident Netanyahu angehört. Ebenso erhielt das Museum im Jahr 2024 umgerechnet rund fünf Millionen Franken von der israe­li­schen Regierung.

Fest steht hingegen, dass es ethische Fragen aufwirft, eine Spendengala für ein Museum abzuhalten, das geplün­derte Werke aus einem Gebiet ausstellt, in dem die Regierung gerade einen Genozid begeht. Ethisch fraglich ist auch, Gelder für ein israe­li­sches Museum zu sammeln, während Israel Berichten zufolge über 200 archäo­lo­gische und histo­rische Stätten in Gaza angegriffen und zahlreiche Museen zerstört hat. Das Kunsthaus Zürich scheint sich dafür aber wenig zu inter­es­sieren. Die Medien­stelle betont lediglich, dass «die Vermietung an den privaten Veran­stalter sämtliche recht­liche und vertrag­liche Anfor­de­rungen erfüllte.»

 

Wenn uns die Krise der vergan­genen Monate etwas gelehrt hat, dann ist es die Erkenntnis, wie absolut notwendig unabhängige Bericht­erstattung ist. Um in Zukunft noch mehr Themen abdecken zu können, haben wir eine neue Redak­ti­ons­stelle geschaffen. Dieser Artikel ist ein Produkt davon. Du kannst mithelfen, die neue Stelle zu finanzieren.
  1. Annette Frei Berthoud

    Danke, Melissa, für diese ausführ­liche Recherche. Ich würde einen solchen Artikel gerne im Tages Anzeiger lesen. Leider bleibt das ein Wunsch­traum. Ich hoffe, dass wenig­stens die Journa­li­stinnen und Journa­listen ihn lesen!

  2. Natürlich ist es traurig, dass Kinder in Israel das Genozid an den Pälästinern miter­leben müssen. Für das, was die palästi­nen­si­schen Kinder erleben, fehlt wohl noch das richtige Wort. Vielleicht hat die Sängerin deshalb nichts gesagt (Ironie off).

  3. Peter Leuenberger

    Der Zürcher Stadtrat hat der UNRWA einen Beitrag gespendet. Das ist verdienstvoll. Warum lässt er es zu, dass im von der Öffent­lichkeit subven­tio­nierten Kunsthaus palästi­nen­sische Raubkunst präsen­tiert wird?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert