Im Frühjahr 2024 protestierten Student*innen weltweit gegen den Genozid in Gaza – so auch Studierende an der Uni Zürich und der ETH. Anstatt ihre Israel-Kollaborationen offenzulegen, liess es die ETH Strafanzeigen regnen.
In der Schweiz herrscht Meinungsäusserungsfreiheit. «Solange man friedlich bleibt, darf man sich versammeln und seine Meinung äussern», sagt Tania, Anwältin bei «Swiss Action for Human Rights». Sie vertritt u.A. Studierende, gegen die die ETH Strafanzeige eingereicht hat. Die Student*innen hatten im Frühjahr 2024 an der Universität Zürich und der ETH Sitzstreiks veranstaltet, um «über die Rolle unserer Universitäten diskutieren zu können», wie Enrique, Student an der Uni Zürich, sagt.
Die Aktionen hatten ein Polizeiaufgebot mit teilweise verstörenden Szenen zur Folge. An der Universität Zürich wurden Student*innen angehalten und kontrolliert. Videoaufnahmen, die baba news zugespielt wurden, zeigen, wie die Polizei Personen verfolgt und auf den Boden wirft oder festhält.
Auch die ETH schaltete die Polizei ein und liess die Protestierenden wegtragen, beliess es jedoch nicht dabei, sondern erstattete 40 Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat daraufhin Strafbefehle und Geldstrafen von bis zu 2’700 Franken gegen die Protestierenden erlassen.
«Mich persönlich hat das bestärkt.»
«So starke Repressionen gegen Studierende haben wir noch nie gesehen», sagt Tania, eine der Anwält*innen, die die Studierenden vertritt. Für sie sind die Aktionen nicht mit der Meinungsäusserungsfreiheit vereinbar: «Das ist auch nicht zum Richter – die Staatsanwälte haben hier selbst entschieden.» Ziel sei es, die Studierenden daran zu hintern, sich frei auszudrücken und zu organisieren – was diese nicht akzeptieren würden.
Enrique, Student an der Universität Zürich, bestätigt dies. «So eine krasse Massnahme von der ETH – Robocops in der Uni drin zu haben, als ob ein Präsident zu Besuch sei oder eine Bombe im Gebäude (…) – das schreckt wahrscheinlich Menschen ab. Andersrum wirkt es aber so, als ob jemand Angst bekommen hätte, in der Unileitung oder an der Uni. So eine krasse Massnahme wirkt verdächtigt – mich persönlich hat das bestärkt.»
Die Zürcher Studierenden fordern von ihren Universitäten einen akademischen Boykott israelischer Universitäten. Ausserdem soll die ETH ihre Israel-Kollaborationen offenlegen. Sie befürchten, dass die in Zürich entwickelte Forschung in Gaza direkt gegen die Palästinenser*innen zum Einsatz kommen könnte.
«Die ETH unterstützt Israel ideologisch und technologisch»
«Die ETH unterstützt Israel ideologisch, indem ein Apartheidstaat, der einen Genozid vollbringt, so behandelt wird, als sei das nicht der Fall», sagt Enrique. Gleichzeitig, und das sei noch viel gravierender, finde eine technologische Zusammenarbeit statt, z.B. indem die ETH mit dem Technion Institut zusammenarbeitet, das das israelische Militär unterstützt. Gemäss den Studierenden ist die ETH an 21 EU-Projekten mit dem Institut beteiligt. Die ETH bestreitet dies – es würden lediglich «einzelne Forschende» mit Technion kooperieren, nicht die ETH als Institution.
Die ETH gibt aber an, mit dem israelischen Weizmann Institut zusammenzuarbeiten. Dies sei die einzige institutionelle Kooperation zwischen der ETH und israelischen Organisationen. Das Weizmann Institut arbeitet mit israelischen Rüstungsfirmen wie Elbit zusammen. Ausserdem bereitet es künftige Soldat*innen in einer Ausbildung auf das israelische Militär vor.
«Wir wollen nicht, dass der Ort, an dem wir eine Ausbildung bekommen, dass die Forschung und die Arbeit, die an diesen Orten betrieben wird, benutzt wird für einen Genozid, benutzt wird für einen Apartheidstaat», sagt Enrique. Er wolle nicht irgendwann zurückschauen und «irgendwelche Rechtfertigungen liefern müssen, warum wir nicht gehandelt haben, da in Zürich, vor Ort, wo es allen gut geht, und wo wir nicht zerbombt werden von der Technologie, die wir hier am entwickeln sind».