Das Regime des syrischen Machthabers Assad wurde gestürzt. Wie hat die syrische Community in der Schweiz auf diesen historischen Moment reagiert? Und was sind ihre Hoffnungen und Sorgen? Wir haben mit Sumaia, Roula, Siyan und Tarek gesprochen.
Am Sonntag wurde das Assad-Regime in Syrien gestürzt. Das Regime hatte sich über 50 Jahre lang gehalten, zunächst unter Hafez al-Assad und danach unter seinem Sohn Bashar al-Assad – der jetzt mit seiner Familie Asyl in Moskau erhält.
Schwere Menschenrechtsverletzungen
Die Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes gehören zu den schwerwiegendsten in der modernen Geschichte und wurden von der UNO, Amnesty International, Human Rights Watch und anderen Organisationen dokumentiert. Versuche, die Kriegsverbrechen zu ahnden, scheiterten allerdings oft an geopolitischen Machtinteressen.
So verübte das Regime u.A. Massaker an der Zivilbevölkerung und verwendete hierbei auch chemische Waffen. Ganze Wohngebiete wurden ausgehungert oder bombardiert, inkl. Krankenhäuser, Schulen und Märkte, mit dem Ziel Oppositionsgebiete zu schwächen. Kritiker*innen des Regimes wurden verfolgt und in Gefängnissen wie Sednaya systematisch gefoltert. Zehntausende «verschwanden» und ihre Schicksale blieben unbekannt.
Wir haben uns in der syrisch-schweizerischen Community umgehört, und wollten wissen, wie sie sie den Sturz des Diktators erlebt hat. Die Reaktionen zeigen eine grosse Euphorie darüber, dass das Regime «endlich gestürzt wurde». Gleichzeitig sind aber auch Sorgen im Hinblick auf die Zukunft herauszuhören.
Euphorie bei der syrisch-schweizerischen Community
So berichtet Sumaia, sie und ihre Familie hätten «geweint vor Freude», als sie vom Sturz erfuhren. Weiter hätte sie auf Social Media Dinge geliket, die sie vorher nicht geliket hätte – aus Angst vor möglichen Konsequenzen: «Wir in der Diaspora hatten immer grosse Angst, etwas Falsches zu sagen, weil es bei der Einreise gegen uns verwendet werden könnte, oder aus Angst um unsere Familien in Syrien.»
Auch die Familien von Roula und Siyan haben in den Tagen vor dem Sturz «alles am TV mitverfolgt». Siyan berichtet: «Meine Mutter weckte mich um fünf Uhr morgens mit lauter Revolutionsmusik am Handy», die Freude über den Fall von Assad sei unglaublich gewesen. «Meine Eltern wollten das live mitverfolgen.»
Hoffnungen und Ängste
Alle vier hoffen, dass Syrien sich nun zu einem «freien Land» mit freien Wahlen entwickelt, «in dem man alles sagen kann, was man denkt und fühlt» (Sumaia), und welches «alle Menschen gleich behandelt» (Roula). Tarek hofft, dass einerseits die Regierung, andererseits aber auch das Land bald wieder aufgebaut werden können.
«Wir haben Tausende von Jahren zusammengelebt, das müssen wir wieder tun.»
Trotz aller Hoffnung machen sich viele allerdings auch Sorgen um die Zukunft. Roula hat Angst, dass es «Streit und Gewalt» geben könnte, und dass es «noch lange dauern könnte, bis Syrien sicher und stabil ist». Siyan hofft, dass sich die Situation für Minderheiten verbessert, bleibt diesbezüglich aber kritisch: «Die HTS, die jetzt die Macht übernommen hat, wird von der Türkei unterstützt, und wir wissen, wie es um die Befindlichkeiten der türkischen Regierung steht, wenn es um uns Kurden geht». Sie hofft trotzdem, dass sich die Situation «durch internationalen Druck oder Druck vom Volk» verbessert.
Tarek schaut der Zukunft deutlich optimistischer entgegen: «Wir sind offene Leute. Wir haben Tausende von Jahren zusammengelebt, das müssen wir wieder tun.» Er sieht die Lösung insbesondere im Dialog und der Verständigung: «Wenn wir miteinander reden können, dann kommt es gut, denn so entsteht ein demokratisches Land.»
Was die vier über den vom Staatssekretariat für Migration angekündigten Asylstopp für Syrer*innen halten, wie auch von den Forderungen nach der Rückkehr von Syrer*innen in ihr Heimatland, erfährst du im Video.