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Vergewaltigung in Pristina – «Mich beschäftigt, dass albanische Jungs wie Pashas behandelt werden!»

Die Vergewaltigung einer 11-Jährigen in Pristina beschäftigt auch die baba news-Community.

In Pristina verge­wal­tigen fünf Männer ein 11-jähriges Mädchen mehrere Stunden lang. Die Wut ist gross – Hunderte Demonstrant*innen versam­melten sich in Pristina, Tirana und Skopje und forderten besseren Schutz vor sexueller Gewalt. Auch in der albani­schen Diaspora in der Schweiz löste die Tat Debatten über Rollen­bilder und geschlets­spe­zi­fische Gewalt aus.  Wir wollten von euch wissen: Inwiefern beschäftigt euch das Thema?

Tulaj, 41

Wir Frauen und Mütter müssen den jungen Männern den Respekt, den Umgang und auch die Rechte der Frauen beibringen. Nur so können wir dieses Patri­archat aufheben. Vor allem wir musli­mi­schen Frauen müssen wieder um jene Rechte kämpfen, die wir zwar haben, aber von denen wir nichts wissen oder sie nicht einfordern. Bildung ist meiner Meinung nach das Schlüsselwort.

Dorentina, 23

Mich beschäftigt, dass es immer noch Männer gibt, die denken, dass Frauen (und wie es aussieht auch Kinder!) selbst Schuld an einer Verge­wal­tigung sind. Es wird gefragt, was dieje­nigen an hatten, wo sie sich befanden und wo die Eltern waren. Diese Fragen bringen mich zur Verzweiflung und machen mich vor allem auch traurig. Es ist auch nicht normal, dass sich so viele Männer angegriffen fühlen von den etlichen Solida­ri­täts­be­kun­dungen, die aktuell im Netz kursieren. Es ist nicht normal, dass Opfer sich recht­fer­tigen müssen. Dass wir immer und alles in Relation stellen müssen. Seit Tagen fällt es mir schwer zu schlafen, denn die Gedanken an dieses Geschehen lassen mich nicht los. Mich beschäftigt dieses Thema, weil ich ganz genau weiss, dass diese Monster nicht ihre gerechte Strafe erhalten werden, und weil es nicht das letzte Mal ist, dass wir trauern müssen.

Fisnik, 30

Es ist immer wieder erschreckend zu sehen, zu welchen Taten Menschen fähig sind. Am traurigsten ist, dass keiner dieser fünf Männer ein Herz hat und ausnahmslos alle fünf Monster sind. Wie können Menschen so herzlos sein? Woran liegt das?

Egzona, 32

Seit ich von diesem Vorfall gehört habe, beschäftigt er mich. Ich bin selbst Mutter und kann mir nicht vorstellen, wie sich die Mutter dieses Mädchens (geschweige denn das Mädchen selbst) fühlen muss. Es tut mir einfach Leid für dieses Kind und für ihre Familie. Es ist so unglaublich, was sich diese Männer erlaubt haben. (…) Und dann diese Kommentare von Männern, aber auch von Frauen: «Sie hat es ja selbst gewollt.» Wie kann man so etwas schreiben? Wie kann man so etwas denken? (…) Diese Kommentare zeigen nur, dass man uns Frauen immer noch nicht den Respekt und die Wertschätzung entge­gen­bringt, die man einem Jungen oder Mann entge­gen­bringen würde.

In unserer Kultur ist das leider immer noch so, dass ein Junge mehr Wert hat als ein Mädchen und dass man einen Jungen anders erzieht als ein Mädchen. (…) Das ist einfach nur gestört und hat nichts mehr mit Erziehung zu tun.

Ich habe selbst einen Jungen und ich werde alles daran setzen, dass er den Respekt und die Wertschätzung für Frauen nie verliert. Ich hoffe nur, dass das Land endlich wach gerüttelt wird und endlich härtere Straf­mass­nahmen einge­führt werden. Solange niemand für seine Taten bestraft wird, wird es nie aufhören. Und solange immer noch den Opfern einer Verge­wal­tigung die Schuld gegeben wird, wird sich nie etwas ändern.

Donika, 27

Mich beschäftigt, dass es immer auf nicht fassbare «Monster» abgeschoben wird. Aber wir reden hier von unseren Freunden, Brüdern, Onkeln, Vätern oder Schulkamaraden.

Samuela, 22

Ich frage mich, ob das Mädchen und ihre Familie profes­sio­nelle Hilfe bekommen, um das Geschehene zu verar­beiten. Ich frage mich, was mit den Männern passiert, wenn sie nach wenigen Monaten im Gefängnis wieder frei sind. Ich hoffe, dass die kosova­rische Regierung, vor allem mit der neuen Präsi­dentin, Vjosa Osmani, gerechtere Strafen erlässt. Ausserdem denke ich, dass sich etwas in den kosova­ri­schen Schulen ändern muss. Das Thema Aufklärung muss viel stärker aufge­griffen werden.

«Ich hoffe, dass die kosova­rische Regierung, vor allem mit der neuen Präsi­dentin, Vjosa Osmani, gerechtere Strafen erlässt.»

Sabina, 24

Mich beschäftigt die Tatsache, dass so viele «Influencer» nichts dazu gepostet haben. Es erwartet niemand, dass du eine grosse Rede darüber hältst, aber mit deiner Reich­weite kannst du die Leute auf das, was abgeht, aufmerksam machen. Und wenn du dann etwas postest, dann meine es entweder ehrlich oder lass es ganz sein. Aber ein Bild posten, damit die Leute sagen können: «Oh toll, sie macht darauf aufmerksam!», und kurz darauf eine Story machen mit «ich zeige euch meine Haarpfle­ge­routine und welche Produkte ich bevor­zugte», braucht es wirklich nicht. (…)

Es ist mir lieber, wenn du den ganzen Tag deinen «normalen Content» bringst und nichts zum Vorfall sagst, anstatt so zwischen­durch, etwas Reposten, damit dein Gewissen beruhigt ist. Es gibt viele Frauen und vor allem junge Mädchen, die die Damen auf Instagram so feiern und sie sogar als Vorbilder sehen. Daher finde ich es sehr enttäu­schend, dass sie es nicht einen Tag lang aushalten können, ohne etwas über ihre neuge­kauften Outfits zu berichten.

Flutra, 34

Mich beschäftigt, dass überall in Extremen gesprochen wird, dass alle so verall­ge­meinern. Dass Albaner ihre eigene Herkunft dermassen runter­machen, obwohl wir alle rational sein sollten und zugeben sollten, dass sich doch vieles geändert hat. Zum einen gibt es tatsächlich auch Familien, in denen Liebe gesund gelebt und vorge­zeigt wird. Es gibt auch Familien, in denen die Eltern den Kindern, unabhängig vom Geschlecht, dieselben Wertvor­stel­lungen beibringen, und wenn etwas nicht okay ist, dann für beide nicht. Ich habe keinen einzigen männlichen Kontakt, der dem Mädchen die Schuld gegeben hat. Weder mein Vater, noch meine männlichen Verwandten, noch Freude oder Bekannte. Was dem Mädchen zugestossen ist, zerbricht mir das Herz. Ich hatte Mühe meine Gedanken zu ordnen, weil es einfach keine Worte für das Geschehene gibt. Aber ich finde es nicht okay, wenn wir jetzt verall­ge­mei­nernden Aussagen Albanern gegenüber machen.

Hüsnü, 50

Vorab: Gut, dass ihr das Thema ansprecht und dazu beitragt, dass darüber gesprochen wird. Leider sehe ich diese überholten Ansichten und diese Haltung seit Jahrzehnten auch hier in der Schweiz. Keine Entwicklung. Sogar die dritte Generation, wie mein Sohn, der 19 Jahre alt ist, redet manchmal über Frauen auf eine Art und Weise, bei der ich mir denke: «Mein Gott, wie konntest du nur mit mir als Vater so werden?» Ich höre Dinge wie: «Diese Frauen sind Schlampen!» Dann sage ich: «Ja und? Was geht dich das an?» Ich versuche ihm klarzu­machen, dass die Freiheit (und dazu gehört auch die sexuelle Freiheit) für alle da ist. (…) Das ist das Schöne an der Freiheit, die wir hier haben. Ich hoffe, nein ich weiss, dass er diesbe­züglich ein Einsehen haben wird.

Medina, 29

Ich habe ein paar Kommentare im Internet gelesen in Bezug auf die Verge­wal­tigung. Es ist wirklich grausam, dass trotzdem das Opfer schuld ist. Die 11-jährige soll es so gewollt haben. So ein Scheiss! Wie kann eine 11-jährige so etwas wollen. Ich habe eine 5 Monate alte Tochter und habe Angst, was aus dieser Welt geworden ist. Ich habe mir überlegt für sie zu spenden und Spenden zu sammeln. Ich weiss, es wird nicht besser für sie aber vielleicht haben sie die finan­zi­ellen Mittel nicht, um ihr zu helfen. Es tut mir wirklich von Herzen leid für sie und für alle anderen Opfer, die so etwas erleben müssen.

Elif, 35

Ich finde es so traurig, dass Frauen und Mädchen immer noch als «schuldig» angesehen werden. Oft werden Aussagen gemacht wie «was hat sie um die Zeit dort gemacht?» oder «was wollte sie dort überhaupt?» oder «was hatte sie denn an?» oder noch schlimmer «kein Wunder, wenn sie so angezogen ist und allein unterwegs ist».

Ich kann nicht verstehen, wie man solch eine Abscheu­lichkeit «entschul­digen» kann. (…)
Was ich auch schlimm finde, ist, wie man Kinder erzieht. Jungs werden so erzogen, dass es okay ist, sich stolz vor allen in den Schritt zu fassen. Dann lachen und klatschen alle: «Bravo, mein Sohn!» Wenn das ein Mädchen machen würde, hiesse es: «Hör sofort auf damit und schäm dich!»
Ich bin entsetzt, wenn ich solche Beobach­tungen mache oder mitkriege. (…) Trauri­ger­weise verstehen sie nicht, was für eine Ketten­re­aktion sie mit ihrem Verhalten auslösen.

Kristina, 31

Absoluter Horror! Ich bin so wütend, dass so etwas passieren kann. Ich bin wütend, dass das Gesetz solche Monster mit Samthand­schuhen anfasst. Ich bin wütend, dass manche Erwachsene sich nicht im Griff haben und denken, dass sie alles tun und lassen können, und dass sie Kinder emotional und körperlich erpressen und dermassen schädigen, dass eine gesunde Entwicklung nicht möglich ist.

In der Schweiz erleidet rund jedes siebte Kind minde­stens einmal sexua­li­sierte Gewalt mit Körper­kontakt durch Erwachsene oder ältere Kinder. Und das sind nur die bekannten Fälle.

Albina, 36

Die Tat hat mich erschüttert, und mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf. Mich nervt, dass jetzt von vielen gesagt wird: «Es sind nicht alle so!» Ja hoffentlich sind nicht alle albani­schen Männer so! Und nein, mein Vater, Bruder oder meine Cousins haben auch nicht dem Mädchen die Schuld für die Tat gegeben. Aber sie haben trotzdem nicht vehement genug dagegen reagiert, dass es genug Männer gibt, die genau das jetzt tun.

Die meisten wütenden Gespräche habe ich mit Frauen geführt, und die meisten Protest­nach­richten und Protest­posts habe ich von Frauen gelesen. Denn insgeheim wissen auch mein Vater und mein Bruder, dass das Gespräch schnell in Richtung Gleich­be­rech­tigung zwischen den Geschlechtern geht, und genau dort wird es auch für meinen Vater, meinen Bruder oder Cousin ungemütlich, wenn sie damit konfron­tiert werden, weshalb mir als Tochter Dinge verboten wurden, die meinem Bruder erlaubt waren, oder weshalb es selbst­ver­ständlich ist, dass meine Mutter nach ihrer Erwerbs­arbeit den ganzen Haushalt schmeisst und Wäsche wäscht, während mein Vater vor dem TV chillt.

Für viele mag dies jetzt weit hergeholt klingen, aber genau bei diesen Rollen­bildern fängt eine Entmensch­li­chung an, und genau hier beginnt es, dass man sich als Mann Rechte nimmt, die man Frauen nicht zugesteht, oder dass eine Gruppe von Männern das Gefühl hat, sie könnten sexuelle Dominanz gegenüber einem Mädchen ausüben.

Der Versuch, Männern das schreck­liche Ausmass solcher Taten zu erklären, indem man sagt «stell dir vor, das würde deiner Mutter oder deiner Schwester passieren», zeigt, wie fortge­schritten die Entmensch­li­chung von Frauen eigentlich ist, indem basic human rights an
Famili­en­mit­gliedern festge­macht werden müssen, um sie Männern verständlich zu machen. Das alles lässt mich hilflos zurück.

«Die meisten wütenden Gespräche habe ich mit Frauen geführt, und die meisten Protest­nach­richten und Protest­posts habe ich von Frauen gelesen.»

Fatma, 36

Mich beschäftigt, dass die albani­schen Jungs im Kindes­alter wie Pashas behandelt werden. Die weiblichen Geschwister bekommen eine 2.Klassen-Behandlung. Die armen Mädchen müssen sich immer um das Männlein kümmern. Die Frau wird dem Kind so präsen­tiert, als sei sie nichts wert. Der Mann darf alles. Sogar sein Pipi wird bei der Beschneidung gefeiert. Respekt vor der Frau lernt man in der Kindheit. An alle Mütter: Lernt euren Kindern die Frauen, und vor allem die Schwe­stern, zu respektieren.

 

  1. Gibt es die Möglichkeit dem Mädchen und deren Familie zu spenden? Gofundme oder ähnliches, bei dem man sicher sein kann, dass ihr geholfen wird. Es bricht einem das Herz…

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