Nalan hat einige schwierige Jahre hinter sich. Im Podcast «Was ich dich schon immer fragen wollte» spricht sie mit ihrer Tochter Sevgi über ihre Vergangenheit – etwa weshalb sie in der Schweiz, Australien und der Türkei lebte, wie die Zeit im Heim sie prägte und was ADHS damit zu tun hat.
Nalan wurde in den 60er-Jahren als Kind einer Schweizerin und eines Türken geboren. «Dein Opa hat die Oma im Coop kennengelernt. Sie haben sich verliebt und irgendwann musste meine Mutter meiner Grossmutter erklären, dass sie von einem Türken schwanger sei», erklärt sie ihrer Tochter Sevgi. «Meine Grosseltern waren nicht einverstanden mit der Beziehung, haben deine Oma aber trotzdem gezwungen, deinen Opa zu heiraten. Damals war es ein Ding der Unmöglichkeit, schwanger und unverheiratet zu sein.»
«Und irgendwann ist deine Oma nicht mehr mit mir zurechtgekommen.»
Da Nalans Vater in der Schweiz nicht Fuss fassen konnte, wagte die Familie schliesslich einen Neustart in Australien, in einer kleinen Stadt in der Nähe von Melbourne. «Und irgendwann ist deine Oma nicht mehr mit mir zurechtgekommen», erklärt Nalan. Der Vater beschloss: «Okay, dann geht das Mädchen zum amca (Onkel väterlicherseits) nach Istanbul.»
In Begleitung eines «gfürchigen Herren» sei sie in die Türkei geflogen. «Und dort war ich wieder fremd», erinnert sich Nalan. «Ich habe Deutsch und Englisch gesprochen, aber kein Türkisch. Sie wussten nicht, was ich wollte, und ich wusste nicht, was sie wollten.»
«Fühlst du dich als Türkin?», möchte Tochter Sevgi wissen. «Wie hast du die türkische Kultur eingesogen? Und hattest du einen Kulturschock?»
«Nicht nur das Wetter ist kalt, auch die Menschen.»
«Den grössten Schock hatte ich, als ich, als ich im Alter von neun oder zehn Jahren von der Türkei zurück in die Schweiz gekommen bin», erklärt Nalan. Sie selbst wäre lieber in der Türkei geblieben, mit einer «Family-Family». «Das ist richtige Familie. Und hier war es das nicht. Hier war es kalt. Nicht nur das Wetter ist kalt, auch die Menschen.»
Von der Schweiz nach Australien, dann nach Istanbul und wieder zurück in die Schweiz. Hier wird Nalan als «Ausländerin» wahrgenommen und von den Kindern in der Schule gemieden. Auch die Lehrerinnen und Lehrer hätten keine Freude an ihr gehabt. «Ich konnte mich nicht unterordnen», erinnert sie sich, «heute würde man sagen, dass ich ADHS hatte».
Nach einer Auseinandersetzung mit der Handarbeitslehrerin wird schliesslich entschieden, dass Nalan in ein Heim muss. Damals ist sie 14 oder 15 Jahre alt. Dort kommt es zu einer Auseinandersetzung mit dem Heimleiter, der sie so fest ohrfeigt, dass ihr ein Backenzahn rausfliegt. Kurze Zeit später muss sie das Heim verlassen.
«Wenn du so behandelt wirst, in einem Heim, dann kannst du nur abhauen oder aus dem Fenster gumpen.»
«Ich habe mir mal überlegt, ob ich ein mögliches ADHS abklären lassen sollte», sagt Nalan. Sie erinnert sich, wie sie nicht zur Aufnahmeprüfung für die Sek zugelassen wurde, weil sie zu spät zu einem Vorbereitungskurs erschienen war. Dem trauere sie immer noch nach. «Aber ich bin schon so alt, dass eine Abklärung nichts mehr bringt», fügt die mittlerweile 60-Jährige hinzu.
«Wie hast du dich im Heim gefühlt? Warst du einsam?», möchte Tochter Sevgi wissen. «Wenn du so behandelt wirst, in einem Heim, dann kannst du nur abhauen oder aus dem Fenster gumpen», sagt Nalan. Sie habe niemanden gehabt, der ihr zugehört hätte, sonst hätte sie erzählt, «wie scheisse es uns dort geht».
Wie sie mit 17 Jahren einer Heirat in Istanbul entging, und ab wann ihr Leben endlich «schön geworden» ist, erfährst du im Podcast.